Gothic Friday – November – Woran ich glaube

Woran glaubst Du? Nicht gerade mein Lieblingsthema to talk or to blog about. Aber es kursieren ja Gerüchte und gängige Vorurteile, wonach der ver(w)irrte Gruftie entweder an das Böse und den Teufel glaubt – klassisches Model „Satanist“ – oder ‚alten’ Naturreligionen, Keltengöttern und so umgehemmt dem Heidentum/Paganismus fröhnt. Ich möchte durch mein persönliches Schärflein versuchen, diese Glaubensfantasien zu läutern oder zumindest entkräften, dass diese in der schwarzen Szene flächendeckend verbreitet wären.

Also bei mir ist religiös gesehen alles etwas vertrocknet: ich glaube nicht an einen Gott – schon gar nicht an mehrere – und für Religionen habe ich nichts übrig. Noch nicht mal als Gesprächsthema, selbst wenn man mir einen netten Rotwein dazustellt. Ich ergreife sofort die Flucht – entweder nach vorn oder nach innen und sage gar nichts mehr. Meine biblisch lange Erfahrung 😉 hat mich gelehrt: mit Anderen intensiv oder gar wie früher nächtelang über Gott, Kirche, Religion, Spiritualität und den Glauben an sich zu diskutieren ist verschwendete Lebenszeit. Weder konnte ich sie überzeugen, noch sie mich. Aber diese Erfahrung muss jeder für sich selbst machen – vielleicht war das ja bei euch auch anders?! Dann lasst wissen.

Wien-im-Himmel

Ich halte den „Glauben“ für absolut zu persönlich um darüber zu streiten. Natürlich kann man sich mal dazu austauschen und wenn man auf der selben Wellenlänge liegt, dann passt es noch einmal besser – man passt glaubhaft besser zusammen. Egal, ob bei einer Freundschaft oder einer Liebe: Ist man in punkto Glauben unterschiedlich(st)er Ansicht, kann es durchaus zu ‚Glaubenskonflikten‘ kommen. Aber das kommt auf den Menschen selbst, die jeweilige Situation, die Intensivität der religiösen Hingabe und die Toleranz an. Ich habe es schon selbst erlebt, dass unterschiedlicher Glaube eine Beziehung belasten kann. Ein Grund sich zu trennen, war das bei mir nicht. Ich möchte aber nicht ausschließen, dass es einer sein kann.

Was bedeutet Glauben für mich?

Um an etwas oder jemanden zu glauben, braucht man Vertrauen, dass etwas so oder so ist. Man nimmt irgendwoher – aus dem Inneren und/oder ‚getriggert’ von außen – das Vertrauen in einen unbeweisbaren Zustand. Aber für mich persönlich kein blindes, sondern zumindest ein teilverifiziertes Vertrauen. Alles, woran ich glaube, habe ich z.T. als wahr erkannt – ich habe es teilverifiziert.  😯 Ich wäre wohl eine harte Nuss für die Kirche… („Zunächst teilverifizieren Sie bitte Psalm 69, Herr Pfarrer!“ **hust**)

Es ist schon länger her, dass ich von Erich Fromm „Die Kunst des Liebens“ gelesen habe. Erstaunlicherweise geht es dort sehr viel um den Glauben, denn „Worauf es in Liebesbeziehungen ankommt, ist der Glaube an die eigene Liebe, der Glaube an die Fähigkeit der eigenen Liebe bei anderen Liebe hervorzurufen, und der Glaube an ihre Verlässlichkeit.“

Auch wenn der Erich streckenweise für meinen Geschmack zu stark abdreht, so hat er doch ein paar erstaunliche Dinge gesagt, die ich für mich für gut befunden habe (teilverifiziert also ;-)). Entgegen meiner bis dato aufs Geradewohl dahingeplapperten Überzeugung, an nichts zu glauben, weiß ich seit diesem Buch, dass ich doch einen Glauben besitze:

„Wenn man das Problem des Glaubens auch nur ansatzweise verstehen will, muss man zwischen dem RATIONALEN und dem IRRATIONALEN Glauben unterscheiden. Unter einem irrationalen Glauben verstehe ich einen Glauben (an eine Person oder eine Idee), bei dem man sich einer irrationalen Autorität unterwirft.
Im Gegensatz dazu handelt es sich beim rationalen Glauben um eine Überzeugung, die im eigenen Denken oder Fühlen wurzelt. Rationaler Glaube meint jene Qualität von Gewissheit und Unerschütterlichkeit, die unseren Überzeugungen eigen ist. Glaube ist ein Charakterzug, der die Gesamtpersönlichkeit beherrscht und nicht ein Glaube an etwas ganz Bestimmtes. Rationaler Glaube ist im produktiven, intellektuellen und emotionalen Tätigsein verwurzelt.“

Als ich das zum ersten Mal las, war ich ein bisschen erleichtert – ehrlich gesagt. Nicht, weil ich jetzt mitspielen darf, sondern weil ich es irgendwie immer gewusst habe: Ich habe also doch einen Glauben! Aber ich glaube rational statt irrational. Ich vertraue nicht auf eine höhere Macht, glaube nicht an Gott, möge er Allah, Zeus oder Jesus heißen. Auch nicht an hinduistische Götter. Religionen und ihre Regeln sind mir viel zu kompliziert. Daher bin ich wohl Atheist.

Jedoch wird in der Regel als Atheist bezeichnet, wer es ausdrücklich verneint, an Gott oder Götter zu glauben. (Wikipedia)

Jesus-coming-soon

Nun, ohne einen oder mehrere Götter kann ich gut leben. Das tue ich schon mein ganzes Leben lang. Ich habe nie daran zu glauben gelernt, auch wenn es mal eine Zeit gab, in der ich an-Gott-glauben versucht habe. Einem Mann zuliebe. Jetzt werden alle sagen: Das konnte ja nicht funktionieren! Stimmt. Es war falsch und ich kam mir irgendwann unehrlich vor. Glauben-wollen ist nicht dasselbe wie glauben-können. Was ich damals gelernt habe: Glaube ist größtenteils anerzogen – aber meine Erziehung fand ohne Gott statt. Wobei der Begriff „gottlos“ hier nicht zutreffend wäre, denn er hinterlässt stets ein pelziges Gefühl auf der Zunge.

Woran ich glaube

Ich besitze also einen rationalen Glauben. Ich habe eigene Glaubens-Überzeugungen, die in meinem Denken, einem diffusen Gefühl, in Vertrauen und in meinen Erfahrungen wurzeln. Ich glaube sogar dreifach 😉

1. Ich glaube an mich selbst. Treffender als der großartige Vincent Price in seiner Rolle als Nicholas van Ryn in „Dragonwyck“ (Weißer Oleander) kann ich das nicht erklären. Er wird von seiner Frau gefragt: „Nicholas, glaubst Du an Gott?“ 

„Ich glaube nur an mich selbst. Ich vertraue auf meine Kraft und auf meine Vernunft. Ich weiß, dass niemand mir helfen kann, wenn ich dazu nicht selber im Stande bin.“

2. Ich glaube an bestimmte Menschen – jedoch nicht an die Menschheit. Die Menschheit als Ganzes ist ein Fluch, ohne kollektiv-steuerbares Gewissen und ausschließlich orientiert an Geldströmen. Aber es gibt einzelne, echte Menschen aus Fleisch und Blut, die ich mehr oder weniger gut kenne. Die für mich kleine Idole sind, weil sie aus einem inneren Bedürfnis heraus entweder bei mir oder für/bei anderen etwas bewegen. Ich glaube an sie, so wie ich an mich selbst glaube und so wie sie vermutlich auch an sich selbst glauben. Manche sind weltbekannte Idole wie Jean Michel Jarre, andere sind z.B. die Aktivisten & Umwelt-Piraten von Sea Shepherd oder auch Leute aus meinem Freundes-, Familien- oder Bekanntenkreis. Ich brauche keinen Gott im Himmel, sondern glaube lieber an die kleinen ‚Götter’ (haha), die ich sehen und erleben kann.

3. Ich glaube an die Natur. Und daran, dass sie sich rächen wird an der Menschheit. Sie wird uns überleben – egal in welchem Zustand. Wir werden es nicht. Die Natur ist mein Gott sozusagen. Sie bestimmt unser Schicksal im weitesten Sinne: Tsunamis sind dafür das beste Beispiel. Sie herrscht seit Anbeginn, sie reguliert sich selbst und uns, in dem Maße, wie wir sie kontrollieren oder ausbeuten. Nature strikes back – garantiert! 😐 Sie ist der Anfang und das Ende – der Kreislauf des Lebens. Wir entstehen, weil es die Natur so eingerichtet hat und wir verrotten und werden zu Erde, aus der neues Leben, neue Natur, entsteht.

Letztendlich versuche ich mein Leben im Jetzt und Hier stattfinden zu lassen, weil ich wiederum nicht daran glaube, dass nach dem Tod etwas kommt. Keine Seele, die entfleucht, kein Wiedersehen mit bereits Verstorbenen. Ins Verhältnis gesetzt zum Universum sind wir alle nur denkende, zu einem Körper gewordene Materie, die nach dem Tod zerfällt. Keine schöne Vorstellung? Finde ich auch nicht. Aber so ist es. Für mich ist das ein Anlass, die eigene Fahrt im Zug zum Friedhof so angenehm wie nur möglich zu verbringen. Manche – aber nur wenige – schaffen es sogar, dass man sich noch Jahrzehnte oder gar Jahrhunderte später an sie erinnert.

 

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13 Kommentare zu „Gothic Friday – November – Woran ich glaube“

  1. Pingback: Gothic Friday November - Resümee

  2. hallo zusammen

    ich muss mal eine aussage von mir ändern: habe mich jahre lang mit Religionen auseinander gesetzt. war reine zeit Verschwendung.

    es war keine Zeitverschwendung im diesen sinne. ich hätte halt nur eine relegion lesen brauchen und nicht alle. welche es ist spielt keine rolle.
    den eines haben alle Religionen gemeinsam. das man mitgefühl, liebe und geduld hat. zu sich selber als erstes und dadurch es auf andere projektzieren sollte. objektive denkt und auch analyisiert, sich selber und auch andere. dadurch habe ich ja meine Vorstellung. mit der energie usw. ich könnte euch jetzt damit zu dröhnen und philosophieren. aber das sollte erst mal jeder für sich selber tun 🙂

    mfg seele

  3. ja super danke. das baut auf
    ich werde mich auch weiter hier beteiligen. bin mal gespannt was du so als aufgabe für mich zu verfügung stellst. bzw. für uns alle hier. ich mag halt Brainstorming 🙂

    mfg seele

  4. Eine Traurige Seele

    @ shan dark

    ich war mich zu erst gar nicht sicher ob man mich versteht.
    zum glück ist es anders 🙂
    ich teile gerne meine Gedanken.
    danke sehr, das ich es schön gesagt habe. ich war mir da nicht so sicher.
    nur mal so zur info, ich werde nur noch Seele schreiben. das andere ist mir doch zu lang und schreckt wohl auch so einige ab 😉

    schöne grüße usw.

    Seele

  5. Eine Traurige Seele

    hallo shan dark

    das hast du gut geschrieben. wie immer 🙂
    ich glaube auch an kein Gott oder götter. habe mich jahre lang mit Religionen auseinander gesetzt. war reine zeit Verschwendung. ich glaube wenn wir sterben, werden wir zu Energie. was in jedes leben steckt. ob stock, ob stein, Tier oder mensch. ich glaube nicht an eine wieder Geburt oder das wir unsere liebsten wieder sehn, in den sogenannten paradise. wir werden halt wieder eins mit dem Universum. mehr nicht. aus tot entsteht halt neues leben. aus einem baum der gestorben ist , wächst ja auch wieder ein baum. ob es der selbe ist bezweifle ich. wenn der mensch stirbt enstehen ja auch kleine Lebewesen. so sehe ich das.

    mfg eine traurige seele

    1. hallo traurige seele,

      Danke für deine Gedanken und dem „wir werden zu Energie“ kann ich mich gut anschließen. Schön gesagt und es passt gut zu meinem dritten Punkt, dem Glauben an die Natur. Wenn etwas vergeht, gibt es Nahrung und Energie für etwas Neues, das entsteht. Mehr muss und kann man da nicht hineindeuteln.

      Liebe Grusels
      Shan Dark

    1. Ich danke Euch für Eure Ansichten und „Glaubensbekenntnisse“. Das interessiert mich durchaus und hier im Blog besteht ja nicht die Gefahr, dass daraus nächtelange Diskussionen werden 😉

      @Roman und auch @solitary_core: Vielleicht habe ich es mit „Rache“ etwas unglücklich formuliert, weil ich das auch gleich zu allererst im 3. Punkt geschrieben habe. Mein Glaube an die Natur besteht nicht vorrangig darin, dass sie sich rächen wird an uns Menschen. Die Natur kann sich gar nicht bewusst rächen, denn sie hat ja gar kein „Bewusstsein“ – jedenfalls in meiner Auffassung nicht. Aber ich glaube, dass die Natur (und damit meine ich das Zusammenspiel aller Faktoren, also z.B. Klima, Atmosphäre, Erde, Pflanzen, Tiere…) unser Leben maßgeblich beeinflusst – wiederum in dem Maße, wie wir die Natur beeinflussen. Wenn wir – nur als Beispiel – eben die Atmosphäre zerstören, kommt es zu Klimaerwärmung, Polkappenschmelzung, Überflutungen, die Natur gerät aus dem Gleichgewicht. Dieses Ungleichgewicht, dass die Menschen verursachen, wird unser Untergang sein – auch wenn die Natur ebenfalls darunter zu leiden hat. Dennoch ist sie stärker als wir – deshalb sollten wir sie erhalten, denn nur dadurch sichern wir unser Überleben. Voll pathetisch jetzt, ich weiß. Aber da die Menschheit als Ganzes ja so weiter macht…

      @Melle Noire: Ich würde auch gern an so manche Dinge glauben, aber es gelingt mir nicht. ;-( Ich denke auch, mit einem Glauben an Gott lebt es sich in manchen Situationen besser und einfacher. In anderen wiederum nicht. Aber Verhältnisse oder Zustände, denen wir selbst nicht vertrauen, müssen eben „dran glauben“, weil sie uns keinen Halt geben im Leben. Und der größte Gewinn, den man von einem Glauben hat ist der „Halt“ und die Orientierung im Leben (nicht nur im Umgang mit dem Tod). Bei vielen Situationen haben es Menschen, die alles in Frage stellen oft schwerer als diejenigen die an etwas glauben oder auch als jene, die mit dem Glauben ‚abgeschlossen‘ haben.

  6. Hi!

    Rationaler Glaube – das ist interessant
    und könnte auch auf mich zutreffen… 😉
    Insgesamt denke ich ähnlich wie Du,
    wie mir scheint. Ich glaube auch nicht an
    ein Leben nach dem Tod – fände es aber
    schön, wenn ich mich diesbezüglich irren würde.

    Dunkle Grüße! 🙂
    Melle

  7. Hi there.
    wie schon erwaehnt, finde ich Deinen Artikel einmal mehr sehr gelungen und lesenswert. In vielen Dingen stimme ich Dir zu. Believe it or not (haha) ich bin katholisch erzogen worden und bin gezwungenermassen auch fast jede Woche in die Kirche getrottet; um mir die Zeit etwas weniger langweilig zu gestalten, war ich dann auch sogar einige Jahre Messdiener (allerdings wurde ich nicht missbraucht;-) – was man nicht so alles macht, wenn man noch nicht so richtig muendig ist…
    Endlich ausgewachsen bin ich dann bald aus der Kirche ausgetreten. Nicht nur, weil ich dieses scheinheilige und anmassende Getue der katholischen Bonzen nicht mehr ertragen konnte, sondern auch, weil ich nicht an das vermittelte Gottesbild glauben konnte.
    Ich bezeichne mich seit dessen als Agnostiker, also bin ich der Auffassung, dass die Existenz oder Nicht-existenz eines oder des Gottes nicht bewiesen werden kann (also fein raus, was?;-).
    Ich glaube, dass es noch sehr viel mehr zwischen Himmel und Erde gibt als das, was wir erdenken geschweige denn entdecken koennen aus unserem dreidimensionalen Gefaengnis heraus. Warum sollte die „Natur“ nicht auch eine Art subtiles „Bewusstsein“ haben, immerhin entsteht das unsrige letztendlich aus der extremen Komplexitaet und Rueckkopplung von biochemischen Prozessen, so wie sie stark verteilt natuerlich auch in der Natur geschehen. (Ok, hier spricht wieder der Naturwissenschaftler).
    Was ich sagen will ist, dass ich durchaus sympathisch bin mit der Idee an die „Macht der Natur“ zu ‚glauben“, nur duerften dort human-emotional gepraegte Begriffe wie Rache eher fehl am Platz sein. Vielleicht ist die gute Natur um ein vielfaches intelligenter und staerker als wir und laesst uns mal machen, wir koennen sie mal….;-))) Who knows?

  8. lässt sich auch schön rauslesen das du kein klassisches „gut – böse“ Denken hast, daher auch die Abneigung einer höher gestellten nichtbeweisbaren Gottheit, in dem Punkt stimmen wir sicherlich überein.
    Hm das die Natur zurückschlägt seh ich noch nich, meine Schätzung geht eher dahin das der Mensch sich selber vernichtet wenn er weiter seiner virulenten Veranlagung folgt, das die Natur, sofern noch vorhanden sich den Planeten wieder Untertan macht steht ausser Frage, zumindest bis die Sonne … lassen wir das XD

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