Fanzinierend: Von der Szene für die Szene

Es war beeindruckend und auch ein wenig unheimlich. Dieser Mann wusste einfach zu viel. Zum Beispiel über meine (und auch seine) Lieblingsband Skinny Puppy. Er kannte Details in Tiefe und Breite und mir fiel beim Zuhören ständig die Kinnlade runter. Dass ich nicht alles über die elektronische Szene in den 80ern und 90ern weiß, ist sowieso klar. Aber Matthias wusste eindeutig ZUVIEL. Er erzählte wie ein Wasserfall, ich hing an seinen Lippen, staunte und lachte und irgendwann fiel der kurze Satz „Wir hatten ja damals dieses Fanzine.“

Shadow-Cast-Ausgabe-8-OgreDieses Fanzine hieß SHADOW CAST und es existierte von 1993-96. Darin drehte sich alles um (elektronische) Musik der schwarzen Szene Anfang/Mitte der 90er – herausgebracht von Matthias und seiner Freundin Petra, die in Witten im Ruhrgebiet wohnten. Das SHADOW CAST hatte nur eine kleine Auflage von 300 Stück, aber großen Anspruch an inhaltliche Qualität, die sich unter Musikern, Newcomern und vor allem in der Independent-Szene im Ausland bald herumsprach. Petra & Matthias steckten ihr gesamtes Herzblut hinein und Kohle – vor allem für Reisen nach Kanada und die USA, um ihre musikalischen Idole zu interviewen und livehaftig am elektronischen Puls der Zeit zu sein, der damals für die deutsche Szene stilprägend war. Im SHADOW CAST gab es bis zu 13 Seiten Interviews für die Fans – mit Skinny Puppy, Front Line Assembly, Project Pitchfork usw. Hier brachten zwei Musik-Fans einfach das unters schwarze Volk, was sie wollten und für gut erachteten. Ohne sich reinreden zu lassen, ohne jemandem gefällig zu sein, ohne Kommerz (die Kosten in Höhe von 3,50 DM deckten eher nicht die Kosten) und ohne „Trend“-Hörigkeit. Von der Szene für die Szene.

Das SHADOW CAST lag alle 3 Monate neu in Clubs und Plattenläden im Ruhrgebiet aus. Oder man konnte es per Abonnement und Mailorder nach Hause bestellen.

Matthias 1994 in Vancouver
Matthias 1994 in Vancouver

Letzten Sommer haben wir Matthias und Petra auf ihrem recht zurückgezogenen „Landsitz“ tief im Westerwald besucht – an diesem wunderbaren Tag und Abend entstand auch die Idee zu einem Bericht und Interview über das SHADOW CAST. Das längst verstorbene Fanzine faszinierte mich! Ich hab die in Handarbeit zusammengestückelten Kopiervorlagen gesehen und fühlte mich an alte Punkzeiten erinnert, wo man sich die Flyer selbst zurecht geschnippelt hat und xmal kopierte. Am beeindruckendsten aber fand ich die oft recht kompromisslose Einstellung von Petra & Matthias. Das eigene Ding durchziehen, so lange man Spaß daran hat und auch genügend Zeit, damit es gut wird. Deshalb das Interview.

Petra 1994 in Vancouver
Petra 1994 in Vancouver

Mein Auto war übrigens bei der Abreise am nächsten Tag beladen mit mehreren Kartons voll CDs und Promo-Tapes, die die beiden aus ihrer Fanzine-Zeit doppelt und dreifach hatten. Ihr Wunsch war, sie zu verschenkspenden bei der nächsten Elektronischen Nacht. Nächsten Samstag auf unserer Party könnt ihr also die Relikte aus drei Jahren SHADOW CAST auf dem synthetischen Basar erwerben und wir alle hoffen, dass zugunsten der Katzenhilfe Westerwald e.V. einiges an Spenden zusammenkommt.

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Das SHADOW CAST Fanzine – Petra & Matthias im Interview

Back to the early 90ies: Könnt ihr kurz beschreiben, wie ihr damals die schwarze Szene und Musik (um Euch herum) wahrgenommen habt?

Die damalige Szene wirkte in sich relativ differenziert; es gab die überzeugten Hard-Core-Gothics, die die schwarze Szene als Lebensgefühl sahen und das auch gelebt haben, z. B. mit entsprechenden Wohnungseinrichtungen und der „schwarzen“ Kleidung, die auch Alltagskleidung war. Dann gab es die „Wochenend“-Gothics, die unter der Woche einen ganz anderen Lebensstil führten und freitags/samstags in die Szene der angesagten Clubs im Ruhrgebiet wie Zwischenfall, Lurie oder Unit eintauchten.

Gleichzeitig wirkte die Szene aber auch wesentlich homogener als heute, es gab längst nicht so viele (optische) „Spielarten“ wie z. B. Cybergothics.

Musikalisch differenzierte sich die Szene vor allem in Gitarren- oder Elektrofraktion. Diese Differenzierung war später auch im Hinblick auf die Clubs zu erkennen. Im „Unit“ wurde Elektro gespielt; dieser Club traf unseren Musikgeschmack am besten. Im „Zwischenfall“ liefen Gothic, EBM und Wave.

Weiterhin wirkte die Szene auf Außenstehende damals sehr viel befremdlicher als heute. Nicht nur einmal wurde man mit Vorurteilen wie „Gruftis graben Leichen auf dem Friedhof aus“ konfrontiert.  Demgegenüber findet man heutzutage wertfreie bis positive Artikel in großen Medien wie SPON, z. B. zum WGT.

Wie seid ihr auf die Idee gekommen ein Fanzine zu schreiben? Was war der Anlass oder war es eher ein Zufall?

Das war eher ein Zufall. Wir waren zunächst beteiligt an der Erstausgabe eines anderen Magazins. Aufgrund von Problemen bei Terminabsprachen und der Anzeigenakquise waren wir für die zweite Ausgabe dieses Heftes bereits allein zuständig; das dritte Heft erschien dann in Eigenregie unter dem Namen „SHADOW CAST“.

Was war der Inhalt und Schwerpunkt des SHADOW CAST? Was war das Besondere daran? Sicher habt ihr Euch da auch persönlich stark eingebracht…

Richtig, Musik war damals ganz klar unser Hauptinteresse. Der Inhalt war auf unsere Lieblingsmusik ausgerichtet, daneben gab es Clubvorstellungen und Rezensionen, Szene- und Labelreports, und natürlich haben wir uns demzufolge auch persönlich stark eingebracht.

Das Besondere an dem Konzept Fanzine war, dass wir machen konnten, was wir wollten, weil wir vollkommen unabhängig von ökonomischen Interessen waren.

Jedes Fanzine braucht einen guten Cartoon - öfters gab es Skinny Puppy im SHADOW CAST (Bildrechte: Susanne Küch)
Jedes Fanzine braucht einen guten Cartoon – öfters gab es Skinny Puppy im SHADOW CAST (gezeichnet von Susanne Küch)

Wie und wo habt ihr recherchiert? So ohne Internet war es garantiert nicht einfach…

Dank Petras Job an einer Universität hatten wir bereits seit 1992 einen Internetzugang, wir haben also die Frühphase des Netzes live miterlebt und konnten es in Ansätzen auch zur Recherche nutzen. Ansonsten liefen die Kontakte über US-amerikanische Magazine wie IndustrialNation oder über Petras Brieffreunde in den USA/Kanada, die uns mit interessanten Infos, Tapes, CDs etc. aus der schwarzen bzw. Elektroszene in den USA und Kanada versorgten. Weitere Informationsquellen waren Musikzeitschriften wie New Life oder Glasnost sowie Kontakte zu Labels/Plattenläden (z. B. „Subway“ in Dortmund oder „Discover“ in Bochum).

Die Recherche lief meist so ab, dass wir eine Debüt-CD oder ein Debüt-Tape gehört haben. Wenn die Musik uns gefiel, haben wir die Bands oder die Plattenfirma kontaktiert und dann das entsprechende Interview geführt.

Alles ging damals natürlich etwas langsamer, da überwiegend der Postweg genutzt wurde, selten auch das Fax.

Nennt doch mal ein paar Bands, die ihr interviewed habt…

Skinny Puppy, Front Line Assembly, Mentallo & the Fixer (das war das erste Interview mit der Band in Deutschland), Apoptygma Berzerk (auch dies war das erste Interview in Deutschland), Leætherstrip, :wumpscut:, Numb, Waiting For God, Evils Toy, Convenant, X-Marks The Pedwalk usw..

Was war die aufwändigste und was die interessanteste/lustigste Story bzw. Interview im SHADOW CAST?

Nivek Ogre im Shadow Cast-Interview 1995 in Seattle
Nivek Ogre im Shadow Cast-Interview 1995 in Seattle

Das sicherlich aufwendigste und interessanteste Interview war das mit Nivek Ogre von Skinny Puppy. Wir waren damals zwei Wochen in Vancouver und hatten mit ihm tatsächlich einen Interviewtermin in Seattle arrangieren können. Ogre, der damals in Los Angeles lebte, hielt sich zu dieser Zeit wegen Plattenaufnahmen in Seattle auf, das ungefähr zwei Autostunden von Vancouver entfernt liegt. Naturgemäß waren wir megaaufgeregt, sodass die Fahrt sich etwas länger gestaltete, weil doch immer mal wieder aufgrund akuter Nervositätsblasenschwäche eine Raststätte angesteuert werden musste. Ganz im Stile der X-Files lotste uns Ogre zunächst zur Uni in Seattle, wo wir uns zu allem Überfluss auch noch ein Knöllchen einhandelten (das wir aber nie bezahlen mussten). Von dort aus dirigierte er uns weiter zu unserem Treffpunkt, einem Café. Dort saßen wir und warteten, und als eine schwarze Limousine mit abgedunkelten Scheiben vorfuhr, konnte Matthias nur noch stammeln: „Oh Gott, da kommt er!“ Da waren wir also in der Nummer drin und kamen nicht mehr raus! Aber im Endeffekt war die ganze Aufregung völlig umsonst gewesen, denn Nivek Ogre war sehr nett und gesprächig, sodass das endgültige Interview im SHADOW CAST letztlich 13 Seiten (!) umfasste.

Schön war auch das Interview mit Mentallo & The Fixer, denn da gab es eine sehr intensive persönliche Interaktion, sowohl per Telefon als auch per Brief.

Ein besonders angenehmer Interviewpartner war Don Gordon von Numb, der eine sensationelle Hörbuchstimme hatte.

Eher im Nachhinein ‚lustig’ war das Konzert der Deprogrammers in Vancouver. Das war eine sehr obskure Noise-Band aus Vancouver, deren Bühnenshow im Wesentlichen daraus bestand, dass die beiden Bandmitglieder sich zwischen einer ausgewählten Kollektion von Einkaufswagen gegenseitig in alte Fernseher warfen (Röhrenmonitore – das war damals noch State of the Art) und in den Scherben herumrollten. Ehrlich gesagt, wir waren sehr erleichtert, dass die Funkmikrofone noch keinen flächendeckenden Einzug gehalten hatten und das Mikrokabel des Sängers gerade nicht bis zu unserem Sitzplatz (!) reichte, als er herumlief und die Leute mit leicht drohendem Unterton fragte, wie ihnen das Konzert gefallen habe.

Ebenfalls eher nachträglich amüsant war die Begebenheit, als wir mit unserem schnieken Mietwagen in eine deutlich nicht schnieke Gegend von Vancouver fuhren, um in einem Etablissement namens „The Old American“, einem ehemaligen Hotel, ein Konzert von Waiting For God zu besuchen. Schön war, dass es keine Türsteher gab und wir auch keinen Eintritt bezahlen mussten. Aber dann verließ uns die Schönheit auch schon. Die Gestalten, die sich in dem Laden tummelten, waren, vorsichtig gesagt, wenig vertrauenserweckend (vermutlich war hier die halbe kriminelle Szene Vancouvers versammelt) und beäugten uns als seien wir eine Spezies von einem anderen Stern. Von Waiting For God keine Spur. Es war noch nicht mal ersichtlich, ob hier überhaupt ein Konzert stattfinden würde, und so traten wir sehr schnell und sehr vorsichtig den kontrollierten Rückzug an. Im Nachhinein sind wir überzeugt, dass der Schutzengel der naiven Nordamerika-Touristen an diesem Abend brav seine schützenden Flügelchen über uns gehalten hat …

Der Cartoon zum untergrundig berühmten Pressefoto von Skinny Puppy - damals noch mit Bill Leeb von FLA (gemalt von
Der Cartoon zum untergrundig berühmten Pressefoto von Skinny Puppy – in den Anfangstagen noch mit Bill Leeb, später Front Line Assembly (gezeichnet von Susanne Küch)

 

Ansonsten konnte man in Vancouver auch schon mal cEvin Key auf einem klapprigen Fahrrad über die Robson Street eiern sehen. Auch unvergessen ist Bill Leebs stachelige Gummitasche, die einfach nur potthässlich war (für eine optische Anmutung einfach mal den Begriff „reptilian backpack“ im Netz suchen).

Gab es auch nervige Vorfälle in Eurer SHADOW CAST-Zeit, an die ihr Euch erinnert?

Nervig war es, wenn man immer wieder von Bands kontaktiert wurde, die man nicht mochte und über die man nichts hätte schreiben wollen, und auch solche, die sich mit schlechten Rezensionen nicht abfinden konnten und darüber x-mal diskutieren wollten. Ebenfalls lästig waren Labels, die einem gleich mehrmals die gleichen (häufig schlechten) Promos zuschickten. Besonders nervig aber waren die lobhudelnden Pressetexte, die meist mit Promo-CDs einhergingen – wenn man denen Glauben geschenkt hätte, wäre jede einzelne Band eine musikalische Perle, reif für den Aufstieg in den Musiker-Olymp, gewesen. Aber daran hat sich sicherlich bis heute gar nichts geändert …

Man brauchte also schon gehörig „Vitamin B“ – aber was noch, um so ein Fanzine herausgeben zu können? Was gehört dazu nach Eurer Meinung?

Wichtig ist das bereits kurz angesprochene große persönliche Interesse, denn ohne das würde das Ganze sicher schnell zu einem nicht oder lediglich schlecht bezahlten Job verkommen. Durchhaltevermögen, Dickfelligkeit gegenüber Rückschlägen oder Zurückweisungen und viel, sehr viel Zeit! Außerdem ein gewisses Maß an Kreativität, gerade in Bezug auf Interviewfragen abseits der gängigen Standards, denn welche Band will schon zum 100. Mal die Frage hören, was der Bandname bedeutet oder wie lange es sie schon gibt? Herkunft und Entwicklung der Band oder auch die Texte geben da manchmal schon Anhaltspunkte; ansonsten muss man sich selbst fragen, was einen an der Band, ihren Ansichten, ihrer Geschichte interessieren könnte.

Ich mag das Medium „Blog“ sehr gern, weil man da über die Kommentare direktes Leserfeedback erhält. Habt ihr zum SHADOW CAST (Leser-)Feedback erhalten und wenn ja, wie sah das aus? Gibt es da eine besondere Story zu berichten?

Es gab nicht allzu viel Feedback, aber das, was wir erhalten haben, war positiv, weil wir versucht haben, keine 08/15-Fragen zu stellen, sondern andere als die Standardfragen. Positiv wurde auch aufgenommen, dass wir keine Limitierung bei der Interviewlänge hatten. Ein weiterer angenehmer Nebeneffekt war, dass Übersetzungen unserer Interviews in internationalen Magazinen veröffentlicht wurden, u. a. bei IndustrialNation und Godsend aus den USA oder Crewzine aus Tschechien.

Die stärkste Resonanz erhielten wir interessanterweise aus dem Ausland, insbesondere den USA, weil es dort zu dieser Zeit so gut wie keine Infos über die europäische Szene gab, die jedoch damals in den USA stilprägend war. Für uns war es erstaunlich, dass es stilprägend war, denn die ganzen Bands, die wiederum in Europa angesagt waren, wie Skinny Puppy oder Front Line Assembly, kamen ja aus Nordamerika. Aber im Großen und Ganzen war die nordamerikanische Elektromusik stark mit Gitarren durchsetzt, sodass ein großes Interesse an „rein“ elektronischen Bands (aus Europa) bestand.

Petra & Matthias in Seattle 1994 - das SHADOW CAST als ideale Verbindung von Urlaub und Hobby :)
Petra & Matthias in Seattle 1994 – das SHADOW CAST als ideale Verbindung von Urlaub und Hobby 🙂

 

Habt ihr das SHADOW CAST am Computer erstellt oder wie und mit welchem Equipment?

Ja, SHADOW CAST wurde tatsächlich bereits am Computer erstellt, in einer der ersten Word-Versionen (es dürfte Word 5.0 gewesen sein). Auch das sogenannte „Layout“ entstand in Word, d. h. der reine Text wurde mit entsprechenden Aussparungen für Bilder in Word erfasst, und dann folgte ein traditioneller „Klebesatz“ mit Cutter, Schere und Tipp-Ex (um beim Kopieren die Kleberänder verschwinden zu lassen). Wir veranstalteten auch einige typografische Sauereien mit Corel Draw 3.0 (wir fanden uns sehr kreativ mit den vielen schönen Schriften …). Dank SHADOW CAST durften wir auch erste Erfahrungen im Scannen mit einem Graustufen-Handscanner machen, weil der Flachbettscanner viel zu teuer war.

Kopiervorlagen - mit Tipp-Ex
Kopiervorlagen – mit Tipp-Ex

Die Cover hat unsere Freundin Susanne (www.susannes-bildergalerie.de), die gelernte Schriftsetzerin ist (und auch die tollen Cartoons beigesteuert hat), professionell im Satzstudio erstellt.

Dann standen wir Stunden um Stunden im Copyshop im Uni-Center Bochum und ließen die Hefte dort am Großkopierer kopieren, legten die Bögen zusammen und tackerten sie. Alles in allem also sehr viel Handarbeit.

Habt ihr euch die Arbeit am SHADOW CAST aufgeteilt? Wenn ja, wer hat was gemacht?

SHADOW CAST Layout zusammengebastelt
SHADOW CAST Layout zusammengebastelt

Matthias war vorwiegend für die Rezensionen verantwortlich und brillierte als Klebelayouter und Schriftengenerator.

Petra hat das „Word-Layout“ verantwortet, Interviews geführt  und die Übersetzungen ins oder vom Englischen gemacht.

Beide gemeinsam waren wir für das Entwickeln von Interviewfragen, inhaltliche Fragen, Rezensionen sowie den Kontakt zu Labels und Bands verantwortlich.

Erinnert ihr euch noch, wie viel Zeit ihr pro Woche in das Fanzine investiert habt?

shadow-cast-layout-1Das lässt sich nicht genau sagen, da wir uns in der Zeit ständig mit Musik beschäftigt haben und das Ganze immer fließend verlief. Wir mussten uns auch an keine Zeitvorgaben wie Drucktermine halten. So war ehrlich gesagt der vierteljährliche Erscheinungstermin auch eher eine unverbindliche Empfehlung.

Wann und warum habt ihr aufgehört und was ist mit dem SHADOW CAST passiert?

Wir haben 1996 aufgehört. Anlass war zum einen Petras berufliche Umbruchphase, wodurch Zeitprobleme entstanden. Außerdem hatten wir aus unserer Sicht alles abgearbeitet, was es zu der Zeit an interessanten Bands gab. Wir waren inzwischen auch genervt von manchen Labels, sogenannten Szenegrößen und davon, dass vieles mehr Schein als Sein war. Die Musik gefiel uns im Großen und Ganzen nicht mehr so, hinzu kamen eigene musikalische Umorientierungen. Ursprünglich hatten wir geplant, das SHADOW CAST komplett und professionell auf Englisch publizieren, da die meiste Resonanz wie gesagt aus dem Ausland kam. Dies wäre aber zu zeitintensiv und zu teuer geworden, durch Anzeigen hätten die Druckkosten nicht gedeckt werden können und auch eine entsprechende technische Ausstattung wäre damals noch zu teuer gewesen. Demzufolge haben wir das Heft dann komplett eingestellt.

Was hat Euch das alles persönlich gebracht? Habt ihr noch Kontakt zu den Musikern von damals oder sind gar engere und längere Freundschaften entstanden?

Cover der letzten Ausgabe
Cover der letzten Ausgabe

Wir hatten jede Menge Spaß und haben viele, viele CDs bekommen, die man nicht mehr kaufen musste. Vor allem aber haben wir viele interessante Menschen kennengelernt wie Ogre (!!), Darrin Huss, Gary Dassing oder das Umfeld von Waiting For God und Evils Toy. Wir haben Vancouver und dessen Szene kennengelernt, es gab viele Brieffreundschafen in den USA, die auch länger währten und enger waren. Und neben den CDs war natürlich ein netter Nebeneffekt der freie Eintritt bei Konzerten oder Release-Partys.

Würdet ihr sagen, dass es heute einfacher oder schwieriger ist, ein Fanzine zu erstellen? Was würdet ihr anders machen? (Tipps erwünscht)

Heute sind Online-Fanzine und Print-Fanzine sicherlich einfacher umzusetzen dank deutlich besserer Technik und günstigerem Druck. Dadurch entsteht aber auch das Problem, dass die Ansprüche der Leser merklich gestiegen sind, was z. B. die Optik anbelangt. Wenn sich jemand ohne einen Anflug von grafischen Kenntnissen heute daran versucht, fällt das einfach mehr auf.

Insgesamt denken wir, dass es heute schwieriger ist, weil man versuchen muss, sich zwischen all den Info-Möglichkeiten abzusetzen, um nicht in der Masse unterzugehen. Wichtig ist es damals wie heute, einen ganz klaren eigenen Schwerpunkt/Akzent zu setzen. Ebenfalls noch aktuell: sich in Bezug auf die Musik nicht von Plattenfirmen beeinflussen lassen. Heute gibt es sicher auch weitaus mehr Probleme mit Copyrights etc. Und es ist vermutlich viel schwieriger, Promo-CDs, Interviews oder eine Presseakkreditierung für Konzerte zu bekommen, weil es insbesondere eine Flut an Online-Magazinen gibt.

Wenn man ein Fanzine machen will, sollte man den Independent-Gedanken hochhalten  und keine kommerziellen Interessen verfolgen, denn das bringt nichts.

Weil es damals noch nicht so viel Konkurrenz gab, war es noch etwas Besonderes, ein Fanzine zu machen.

Inhaltlich würden wir gar nichts anders machen als damals: ungewöhnliche Fragen und  ausführliche Interviews, die den Lesern tatsächlich einen Mehrwert und Infos bieten, die nicht überall zu lesen sind.

Was haltet Ihr von der heutigen schwarzen Szene und Musik?

Petra hat ab Mitte der 1990er-Jahre eine andere musikalische Entwicklung in Richtung Mittelalter, Weltmusik und Ambient genommen. Eindrücke von Besuchen des WGT 2004 und 2005 waren, dass die Szene sehr heterogen und „bunt“ geworden ist.

Matthias kann sich mit der „neuen“ schwarzen Szene nicht mehr identifizieren und trauert den „guten alten Zeiten“ nach. Die Musik in den Clubs, in seinen Ohren ein elektronischer Einheitsbrei, entspricht nicht mehr seinem Geschmack.  Viele Bands sind nicht mehr markant genug, es ist keine Eigenständigkeit mehr erkennbar. Und es gibt keine neuen stilprägenden Persönlichkeiten (wie Ogre oder Dirk Ivens) mehr. Er hört mittlerweile Ambient und IDM.

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1.000 Dank an Euch beide für das Interview und natürlich auch für die Musik-/Tonträgerspende!

Bildrechte: Petra & Matthias – Keine Vervielfältigung oder Nutzung ohne vorherige Genehmigung!

 

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5 Kommentare zu „Fanzinierend: Von der Szene für die Szene“

  1. Pingback: Die Elektronische Nacht - Dark Party - Wiesbaden » Der schwarze Planet

  2. @Shan Dark: Ich freue mich zu lesen, dass meine Cartoons so viel Anklang finden 🙂 Natürich freue ich mich auch, dass Dir meine anderen Sachen so gut gefallen. Ja, es wird höchste Zeit, dass ich meine HP mal aktualisiere (da werde ich Deine Seite auf jeden Fall mit verlinken – wenn ich darf).

    Liebe Grüße (… und die Schwarzwurzeln sollen auf jeden Fall bleiben wo sie sind!! 😉 ),
    Susanne

  3. Hallo!

    Mein Gott, waren das Zeiten!! Ich habe Deinen Artikel mit Freude gelesen, und es sind so viele alte Erinnerungen hochgekommen! Ganz besonders freut es mich natürlich, dass meine Cartoons noch einmal ans Licht der Öffentlichkeit gekommen sind 🙂 und ich erinnere mich nur ZU GUT daran, wie viel Spaß ich selbst dabei hatte, sie zu zeichnen 😉

    An dieser Stelle möchte ich sagen, dass ich diese Seite superklasse finde!!! Ich gehöre ja nicht mehr wirklich zur schwarzen Szene, aber beim Lesen der ganzen Beiträge muss ich feststellen, dass ich im Grunde doch noch ein „schwarzes Herz“ besitze 😉

    Ganz viele liebe Grüße!!!
    Susanne 😉

    1. Liebe Susanne,
      vielen Dank für Deinen Kommentar und besonders auch für Deine genialen Comics und dass ich sie hier einbinden durfte. Die wurden auch gleich wie wild geteilt auf Facebook und sie gelangen wohl noch zu verspätetem (Internet-)Ruhm… 🙂 es würde mich freuen! tja, heutzutage verbreitet sich gutes Material einfach schnell(er). Man sieht den Skinny Puppy Cartoons auch an, dass Du da Spaß dran hattest, ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich sie sehe. Aber auch die Portraits auf Deiner Seite sind der Wahnsinn, ich bin sehr begeistert von Deinem Talent!

      Danke auch für das Lob zum schwarzen Planeten – ich freu mich! Tja: Schwarzwurzeln stecken eben besonders tief drin. 🙂

      Viele Grusels
      Shan Dark

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