Only Lovers Left Alive (2013)

„Lässigere Vampire hat die Filmgeschichte noch nicht gesehen.“
(
Süddeutsche Zeitung)

Adam und Eve können sich Lässigkeit leisten. Sie sind ein altes Vampir-Liebespaar, vielleicht sogar das älteste Vampir-Ehepaar der Welt, wenn man in der biblischen Namensgebung eine Metapher sehen möchte. Entsprechend lang schon unterwegs auf der Erde hebt sie im Heute nichts mehr wirklich an. Sie schwelgen in Erinnerungen, sind hoffnungslos romantisch und nostalgisch – vor allem Adam – und verabscheuen die Trivialität der heutigen Zeit. Während Adam (Tom Hiddleston) irgendwann in den 60/70er Jahren aufgehört hat sich mit der Menschheit, den „Zombies“ wie er sie verachtend nennt, zu arrangieren, besitzt Eve (Tilda Swinton) immerhin ein iPhone.

plakat-only-lovers-left-alive-vampirfilmSie leben, das nun wieder recht modern, getrennt. Adam in einem alten, verlassenen Haus (ähnlich dem ‚Fight-Club-Haus‘ von außen, nur innen wesentlich gemütlicher) in den ebenso verlassenen Outskirts von Detroit – einem Paradies für Urbexer. Eve lebt in einer orientalischen Wohnoase im marokkanischen Tanger. Warum getrennt wird nicht aufgeklärt, spielt aber auch keine Rolle – es gibt ja Skype. Getrennt leben belebt, denn die mehrere Jahrhunderte ‚alte Liebe‘ ist so frisch wie beim 1. Biss.

Jetzt hab ich schon den ersten Vampirkalauer gebracht, die der Film auch, aber weniger platt und gut akzentuiert setzt.

„Es ist dunkel. Wir können aufstehen.“

Vampirklischees gibt es nur in den Dialogen. Sichtbar ist nur eines: Blut als Lebenselixier. Regisseur Jim Jarmusch (Dead Man, Ghost Dog, Night on Earth) verleiht seinen Vampiren nicht die typisch magischen Kräfte wie Flugfähigkeit, Zauberei und Verwandlung, sondern sie haben den 7. kreativen Sinn (sozusagen). Adam ist Musiker und Eve Literaturkennerin. Sie liest Bücher verschiedenster Sprachen nur in dem sie Buchseiten berührt. Oder kann Gegenstände und Möbel datieren durch Berührung. Adam wiederum wäre ein erfolgreicher Musiker, wenn er sich enttarnen würde. Er hat in früheren Zeiten berühmte Sinfonien geschrieben und gerade unter einem Pseudonym einen Rocksong veröffentlicht, der in allen Clubs & Charts läuft. Eve ist noch dazu in Tanger mit „Kit“ befreundet – so lautete der Spitzname von Christopher Marlowe (gespielt von John Hurt). Jarmusch stützt mit dieser Figur die These, dass Christopher Marlowe ‚der wahre Shakespeare‘ war und es gibt mehrere Verweise im Film auf seine Werke. Musik, Literatur, Kunst – in keinem Vampirfilm hat man je so viel davon gesehen!

Adam und Eve sind zwei feingeistige, kultivierte Vampire aus der alten Zeit, die niemandem wehtun, sich tarnen und die heutige Zeit als lästiges Übel empfinden. Spricht mir irgendwie aus der Seele und entspricht ziemlich meinem Lebensstil.

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Worum geht’s?

Um die ewige Liebe in einem ewigen Leben. Und um Musik, die dabei helfen kann, es zu ertragen. Für den Independent-Regisseur Jarmusch und früheren Musiker der No Wave-Band The Del-Byzanteenes ist Musik „die höchste und schönste Form des Ausdrucks. Ohne Musik hätte das Leben keinen Sinn.“  Sie spielt häufig eine wichtige Rolle in seinen Filmen. Auch wenn Jim Jarmusch einen deutlich anderen Musikgeschmack hat als ich, wird der Film trotzdem angenehm von ihr getragen.

Die Story ist eher dünn aber tut auch nicht viel zur Sache, wie ich finde. „Only Lovers Left Alive“ besticht durch seine Bilder, durch Farben, Eleganz, Dialoge – und zwei der schönsten Vampire der Filmgeschichte. Tilda Swinton, wie immer göttlich, ist diese Rolle auf den Leib geschneidert. Und Tom Hiddleston ist für mich einer der schönsten Vampire im Film überhaupt. Zum Dahinschmelzen![1]

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Jedenfalls ist Jim Jarmusch nicht darauf bedacht, irgendwelche Vampiraction aus dem Hut zu zaubern – Action ist nicht sein Stil. Ruhig, sogar sehr ruhig erzählt er die Geschichte seiner bissigen Protagonisten. Das passt alles gut, aber ein Schuss mehr Bewegung hätte dem Film durchaus gut getan. Ich ertappte mich dabei immer mal zu denken (zu hoffen?): jetzt passiert was! Aber da war nichts. Stattdessen ist Jarmusch mit seinem lakonischen, trockenen Humor zur Stelle, der den Film nicht überwürzt, aber zusätzlich schmackhaft macht.

„Only Lovers Left Alive“ zeigt uns das melancholische aber auch sinnliche Bild des Vampirs, nicht das furchteinflößend-mächtige. Was würden wir tun – auf ewig zum Leben verdammt? Der Film könnte das Erbe von „Interview mit einem Vampir“ sein, wäre er nicht so kunstsinnig. Er spielt in der heutigen Zeit, aber in der eigenen Welt von Adam und Eve, im Drinnen nicht Draußen, in ihrem Universum der Vergangenheit. Vielleicht hat er mir deshalb so gut gefallen, weil ich mich auch gern in meine eigene Welt mit Elementen der Vergangenheit flüchte.

Jim Jarmusch fügt dem Genre Vampirfilm mit „Only Lovers Left Alive“ einen eigenwilligen und überraschenden Beitrag hinzu. Ein unangepasster, stiller Vampir-Musik-Film, der recht lange im Inneren nachschwingt. Zumindest bei mir.

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  1. [1]Ladies, macht bitte nicht den Fehler und schaut euch Tom Hiddleston ‚in echt‘ an. Es ist mehr als ernüchternd! Was Haare doch ausmachen…

4 Kommentare zu „Only Lovers Left Alive (2013)“

  1. Das in dem schönen Film gezeigte Lebensgefühl (wenn man das bei Untoten so nennen darf) erinnerte mich an eine Geschichte von jemandem, der unsterblich wurde. Es war eine schlichte SF-Geschichte mit der besonders schlichten Zutat des alten Professors der alleine das Mittel zur Unsterblichkeit gefunden hatte. Das probierte er an einer Katze aus, einem großen Hund, und zum Schluß an einem jungen Mann. Der war anfangs begeistert; nichts konnte ihn irgendwie töten. Er spazierte über den Meeresgrund, fand alte Schätze und war glücklich.

    Die Geschichte endet damit, daß der inzwischen uralte Professor von tiefer Reue geplagt seine drei Geschöpfe besucht: In der abgelegenen Höhle wohin sie sich zurückgezogen haben, bewegungslos, ohne Interesse am Lauf der Welt. Ihre Gesichter, sogar die offenen Augen, sind verstaubt. Stumm schauen die drei auf den Greis der sich bei ihnen entschuldigen möchte.

    1. Eine schöne, traurige Geschichte, lieber Schatten. Genauso würde ich mich auch fühlen nach endlosen Jahrhunderten als Vampir. Ich bin froh, dass ich irgendwann von dieser Welt verschwinden kann und das Elend und den Verfall, auf das/den die Menschheit unweigerlich zusteuert, nicht bis ans Weltenende begleiten muss. Ich wäre auch entweder völlig stumpf oder entnervt. Aber auch Vampire sind des Selbstmordes fähig. Doch hier bei „Only Lovers Left Alive“ siegt auch ihr Überlebenswille. Scheinbar ist er auch bei Untoten recht stark ausgeprägt. 😉

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