„It’s about a woman fucking an octopus.“
So beschreibt Regisseur Andrzej Zulawski seinen Film. Oh wie aufregend! Aber ich war auch vorsichtig, denn Jörg Buttgereit („Nekromantik“) lobte ihn – als „einzig wahren Berlin-Film“. Was er einerseits als Berliner sicher zuverlässig einschätzen kann, andererseits konnte es aber auch sein, dass er als „Extremling“ etwas für mich visuell nur schwer zu Verkraftendes empfiehlt. Wer weiß? Aber: die wunderschöne, großartige Isabell Adjani spielt in „Possession“ nicht nur die Hauptrolle, sondern sogar eine Doppelrolle – an der Seite von Sam Neill. Diese Besetzung stimmte mich zuversichtlich, dass der Film nicht 119 Min. lang Horror-Exzesse einer Frau mit ihrem 8-armigen Lover zeigen konnte.
So banal war es ganz und gar nicht.
Der Vorwurf und später die Gewissheit „Du hast einen Liebhaber / einen Anderen“ dominieren die Handlung . Anna (Isabell Adjani) lebt mit ihrem Ehemann Mark (Sam Neill) in Westberlin – in einem Haus mit Blick auf die Berliner Mauer und die darauf patrouillierenden Grenzsoldaten. Nach einer langen Geschäftsreise kehrt Mark zurück zu Anna und seinem kleinen Sohn Bob. Anna empfängt ihn kühl, sagt sie brauche Zeit. Am selben Abend liegen beide nebeneinander im Bett, ohne dass irgendetwas passieren würde und versichern sich, dass sie sich nicht vermisst haben. Es ist hier noch nicht klar, wer (mehr) lügt.
Im Kern handelt der Film von Kommunikationsproblemen zwischen zwei Menschen, die sich eigentlich doch noch lieben, voneinander aber auf unterschiedliche Art enttäuscht wurden. So interpretiere ich das jedenfalls. Die Auswirkungen der unausgesprochenen Sehnsüchte sind krass und extrem überspitzt dargestellt. Isabell Adjani ist die ständig hysterische, emotional zwiespältige und zunehmend auch geistig gestörte Frau und Mutter, die sich von ihrem Ehemann unabhängig gemacht hat. Sie vertraut nicht mehr auf seine Liebe und verfällt in ihrer Suche nach Zuneigung einem (mit vielen starken Armen ausgestatteten) Extrem. Sie hat Angst, dass Mark sie verlässt, wenn er erfährt, dass ein Oktopus ihr Verlangen befriedigt. Andererseits wünscht sie sich, dass er sie versteht, ihre Sehnsüchte akzeptiert und um sie kämpft.
Woher der Tiefseekrake kommt bzw. wie er in das schimmlige, leerstehende Haus (direkt an der Berliner Mauer) kommt, erfährt man nicht. Er ist ja auch nur eine (ausgefallene) Metapher. Fakt ist: er kommt wirklich gut. Kein billig animiertes Monster mit Computerspezialeffekten. Mr. Oktopus ist erst relativ spät zu sehen – man wird in kleinen Spannungshäppchen darauf „vorbereitet“. Zwischendrin (und wegen ihm) gibt es viel Blut, einige Leichen, zeterndes Gekreische von Anna und eine eindringliche, unvergessliche Szene in einem U-Bahn-Tunnel. Isabell Adjani spielt derartig überragend, dass ich nur noch sprachlos war. Mir fällt keine andere weibliche Rolle ein, die je so intensiv und großartig gespielt wurde.
„Possession“ bläst einen weg. Die Wucht der Bilder, die völlig unvorhersagbaren und abstrusen Handlungen und Wendungen. Nicht immer verständlich. Am Ende im Gesamten aber dann schon. Ich finde ihn absolut unvergesslich. Manchmal ist er auch so krass und überzogen, dass ich lachen musste. Es ist kein Horror-Thriller im herkömmlichen Sinne, er ist blutig, aber nicht sinnlos brutal. Das Ende ist genauso ungewöhnlich wie der Film – ich sag mal, es ist „schwierig“. Aber es schließt sich auch ein Kreis – mir ging es jedenfalls so.
In den Extras zur 2009 erschienenen DVD des Bildstörung-Labels erfahre ich, dass Andrzej Zulawski, der Regisseur, mit den Film eigentlich noch etwas ganz anderes sagen wollte. Es sollte das Böse gezeigt werden, dass über die Mauer (oder unter der Mauer hindurch?) vom sozialistisch-totalitären Regime der DDR (so wie er es als Ex-Pole sieht) nach Westberlin dringt. Das Böse in Form eines Oktopus ergreift dort Besitz („Possession“) von einer Frau. Da muss man schon Phantasie haben! Das habe ich weder während des Filmes erkannt oder so gedeutet, noch kann ich es im Nachhinein so interpretieren. Aber vielleicht ihr? Schaut ihn Euch an – mich würde interessieren, wie ihr den Film empfindet.
2 Kommentare zu „Berlin, eine Frau und ein Oktopus – „Possession“ Filmkritik (1980)“
Danke für die tolle Rezension!
Der Film ist mein absoluter Lieblingsfilm und die Bildstörung DVD ist echt das Geld wert!
Noch ein kleiner Tipp, schau mal auf Youtube nach dem Video: „Tear it apart“ von der Band „Of the wand and the moon“ ich denke du wirst die Szene erkennen 😉
Gruß aus Berlin
ich hab deinen Blog erst jetzt aus Zufall gefunden und Liebe ihn 😉
den Film werd ich mir auf jeden Fal mal „antun“
klingt seeeehr gut !
freu mich schon drauf
Lg Kandee