Der Teufel stand in der Vitrine. Steif und aus Bronze. Er verhöhnte uns. Denn der Antiquitätenhändler wollte 4.000 tschechische Kronen für das schöne Stück Unterwelt! Erstmal raus aus dem Laden: Luft schnappen und umrechnen in Euro. Dann wieder rein und feilschen. Der Händler war so alt wie die Dinge in seinem Laden. Es saß ihm der Schalk im Nacken und er sprach gutes Deutsch mit typisch tschechischem Dialekt. „Aaaah, ihr seid noch jung. Deifel ist gut für Inspiratiooon, in Schlafzimmer, hehe.“ Ein verschmitztes Lächeln, ein Augenzwinkern, ein netter kurzer Schnack bis Geld und Teufel den Besitzer wechselten. Draußen mischten wir uns wieder unter das Touristenvolk in Cesky Krumlov. Jetzt hatten wir den Teufel im Gepäck. Das ist sicher das Skurrilste, was uns in dieser malerisch-romantischen, kleinen Stadt südlich von Prag begegnen wird, dachte ich.
Aber wir hatten das Glück der geneigten Seitengasse: links in ihr erblickte ich ein „Van Gogh“-Café und da gegenüber ein Schild: „horor bar“. Kleingeschrieben und offenbar ist im Tschechischen der Horror mit nur einem R in der Mitte erschöpfend ausgedrückt. Ein Schreibfehler konnte es nicht sein, denn die Schreibweise war konsequent durchgezogen. So ungewohnt geschrieben erfasste ich den Horror gar nicht gleich. Zumal das Schild aus der Richtung von der wir kamen keinen Totenschädel zeigte wie von der anderen Seite kommend.
Die Kellertreppen-Tür stand einladend offen und lockte uns. Mit dem Herrscher der Unterwelt in unserem Rucksack stiegen wir hinab und wurden auf gebührende Art und Weise empfangen:
Da hingen ja die Leichen von der Decke ;o) und das so früh am Abend. Es war gerade mal um sechs. Wir waren noch die einzigen Gäste. Musikalisch lief leise der gerade verstorbene Michael Jackson. Mein Freund fand es passend, hier Musik von Toten zu spielen. R.I.P.
Die „Horor Bar“ ist ein relativ kleines, verwinkeltes Kellergewölbe mit niedriger Decke, kleinen Räumchen, schmalen Gängen. Zu dieser an sich schon düsteren „natürlichen Veranlagung“ gesellt sich eine skurrile Innenausstattung, die ihresgleichen sucht. Da gibts keine Billigheimer-Deko mit Gothic-Figuren aus Kunststein oder bemaltem Gips, sondern mit Liebe zusammengetragene „echte“ Skurrilitäten – bis auf die Leichen an der Decke natürlich. Erstmal setzen, umschauen, staunen. Wir entdeckten zuerst „die weiße Frau“, so hab ich sie genannt. Wenn jemand weiß, wer oder was für eine Horrorfigur sie ist – bitte Kommentar! Sie war gefangen in einem Glasrahmen, das war auch besser so. Dieser war an einem alten Schrank oder einer Beicht-Kabine angebracht. Davor ein Sofa und Tisch mit Tischdecke. Slawisches Wohnzimmer trifft auf Draculas Burginterieur.
Echte Särge waren zu Tischen umgestaltet, in denen Schädel und Skorpione zu sehen waren. Überall Grablichter oder rostige Friedhofslaternen.
Von der Decke hingen selbst präparierte Zombies und Moorleichen. Bewundernswert gut gemacht. Vielleicht war hier ein gelernter Bühnenbildner oder Kostümdesigner am Werk gewesen? Auf jeden Fall Freunde der gotisch-schwarzen Kunst mit Liebe zum morbiden Detail.
Ich habe alles inspiziert. Jeden Gang verfolgt, in jeden Raum geschaut. Nichts enttäuschte, nichts war „Durchschnitt“ oder schon mal gesehen.
Sogar der Heizkörper – also diese sonst hässliche Weiß-Ware – war gothic-like gestaltet mit einem Grabkreuz und einem speziell ausgewählten Ölbild darüber. Hier war nichts Zufall, sondern gewollter HoRor.
In der Nähe der Theke stand eine Tortenvitrine, die statt Dickmachern ein Sammelsurium von Gothic-Grusel-Artefakten zeigte. Mit düsterem Händchen kunstvoll drapiert lagen auf den einzelnen „Torten-Etagen“ ausgetrocknete Riesenspinnen, Gottesanbeterinnen, Skalpelle, Messer, (medizinische) „Folterinstrumente“, die heilige Schrift mit einem Nachtfalter darauf, mehrere Knochen und ein Schädel. Unser steifer Teufel hätte hier auch noch gut hingepasst.
Der Rotwein schmeckte fast zu gut – bei diesem visuellen hätte ich mir auch gern einen trinkbaren Rausch zugelegt, aber nicht so früh am Abend.
Ich habe gelesen, man soll sich hier skoumavky bestellen: eine rote Flüssigkeit (Likör oder Wodka wahrscheinlich), die im Reagenzglas serviert wird. Das muss wohl ganz gut laufen bei vielen (Bar-)Touristen, die mal einen Abend in gruseliger Atmosphäre erleben wollen. Es gibt auch viele Fotos davon auf der Facebook-Seite der Horor Bar.
Wir sind eigentlich nach Cesky Krumlov gefahren, um das gut erhaltene barocke Schlosstheater zu besichtigen, bei dem man auch mal hinter die (alten) Kulissen schauen kann. Dazu gab es in unserem Reiseführer eine verlockend gestaltete Extra-Seite. Von einer „Horor Bar“ stand aber nix drin, auch nicht, dass hier Teile des Splatter-Streifens „Hostel“ gedreht wurden und es ein Foltermuseum gibt, das auch in dem Film vorkommt.
Aber das barocke Schlosstheater war wirklich super. Auch wenn der Eintritt moderat gesagt nicht gerade preiswert ist (17,50 Euro pro Person) und man trotzdem drinnen nicht fotografieren darf. Andere deutsche Touristen passten auf, dass wir uns auch ja dran hielten. Man darf aber unter die Bühne und hier sahen wir die gesamte Theatertechnik von früher. Geräte und Maschinen, mit denen die Geräusche von Wind, Wellen und Regen erzeugt wurden und die Soffitten, also Bühnenbilder, die von der Decke bis zum Bühnenboden reichen, und je nach Szenerie getauscht und in den Vordergrund verschoben wurden. Ich hab da richtig was gelernt in Theaterkunde. Sehr empfehlenswert. Vllt. haben sie dann, wenn ihr Euch das anseht auch schon die Kostümkammer geöffnet. Das war leider bei uns noch nicht so weit, aber die Original-Requisiten und –Kostüme sind noch erhalten und sollen auch künftig zu sehen sein. Das hätte mich als Nähtante ja schon mal interessiert.
Cesky Krumlov hat eine einzigartige Lage: der Stadtkern liegt in einer Moldau-Schlinge und wird beinahe von diesem Fluss eingeschlossen. Es ist fast komplett aus dem Mittelalter erhalten und heute UNESCO-Weltkulturerbe. Imposant und wunderschön sind das Schloss, was z.B. einen Burggraben mit echten Braunbären drin hat, die dort ziemlich guten Auslauf haben und auch schon mal bis zur Schlossmauer hochkrabbeln. Beeindruckend und berühmt ist die Mantelbrücke, die über drei Etagen mit riesigen Bögen das Schloss mit dem Garten und einem Freilufttheater verbindet.
Cesky Krumlov – zu deutsch Böhmisch Krumau – liegt gute 3 Autostunden entfernt von Prag, Wien oder München. In der Nähe ist auch Budweis, bekannt durch das berühmte Bier. Eigentlich ist das ja keine Entfernung, wenn man auf der Suche nach nicht-alltäglichen, skurrilen Einzigartigkeiten ist. Manchmal ist man aber vielleicht auch in der Nähe.
Leider hat die HOROR BAR seit Mitte 2012 GESCHLOSSEN. Sehr, sehr schade!! Danke für die traurige Info an Leserin Margien, die kürzlich dort war. Es ist auch offiziell von den Betreibern bestätigt. Damit ist etwas Besonderes in Cesky Krumlov verloren gangen – und dieser Bericht bereits ein Zeitdokument wider Willen. Dennoch lohnt es sich, Krumau anzusehen. Das Schloss, die Bären im Burggraben, das barocke Theater, der Drehort von „Hostel“ und ein Foltermuseum, ein Wachsfigurenkabinett, die Moldau… und leider auch viele Touristen.
GOTHIC GUIDE – Cesky Krumlov
Eine Seite für euch mit den wichtigsten Infos – zum Herunterladen & Mitnehmen auf Reisen: Gratis-Download Gothic Guide Cesky Krumlov
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7 Kommentare zu „Die Horror-Bar mit nur einem „R““
Kein Wort zu Fürstin von Schwarzenberg, der Vampirin von Krumau, die in der Kirche so liegt, dass man vor ihrer Wiederkehr sicher sein soll? Nochmal auf nach Krumau und berichtet!
Und das Klo? Wie war das Klo??
😀 **wegschmeiß**
Das war horror-freie Zone – gut so!
Na, ich meine natürlich den King of Pop, Michael Jackson!
Irgendwie haste recht mit Michael Jackson – je länger ich mir das anschaue…
Na, ein bißchen Ähnlichkeit hat ja die Fau im Bild MJ. Andereseits so schwebend, vielleicht eine Titanic-Tote?
Das Tortenlarussel ist ja genial. Irgendwie wie fast alles da.
„Frau im Bild MJ“ … was meinst Du?
Ja, das Tortenkarussel des Grauens…coole Ideen hatten die in der Bar wirklich.