This is a tough one to talk about. Dass Gothic ein Lebensstil sei hört man oft und auch mir ist das schon ab und an über die Lippen gekommen. Aber zu erklären, was mein Lebensstil tatsächlich beinhaltet und ob er wirklich so goth ist, wie ich vielleicht selbst denke… puh, das ist schwierig.
Im Ursprungsartikel zu diesem Thema wurde diskutiert, ob Lebenseinstellung, Lebensstil oder Lebensgefühl überhaupt die richtige Bezeichnung für Gothic ist und sein kann. Daher hat sich Prof. Dr. Shan Dark *hust* zunächst über dieses Begriffswirrwarr hergemacht. Ich wollte – auch für mich selbst – Klarheit.
Begriffswirrwarr
Ist Gothic ein Lebensstil? Während die Wikipedia den Lebenstil ganz allgemein als „Art und Weise der persönlichen Lebensführung“ bezeichnet, konkretisiert Gablers Wirtschaftslexikon die Definition mit „für eine Person oder eine Personengruppe kennzeichnende Kombination von Verhaltensweisen (…) ein Muster (…), das die Person oder Personengruppe von anderen sichtbar unterscheidet.“
Für mich am besten, da präziser, dröselt es die Soziologin Annette Spellerberg auf (Zitat aus ihrer Vorlesung zu „Soziologischen Grundbegriffen“):
„Lebensstil ist die individuelle Organisation und expressive Gestaltung des Alltags entlang dreier Dimensionen
- interaktive Dimension: Freizeitgewohnheiten
- expressive Dimension: Musik-, Einrichtungs-, Lesegeschmack
- evaluative Dimension: Lebensziele“
Jeder Lebensstil wird geprägt durch persönliche (Lebens-) Einstellungen und (höhere) Motive. „(Höhere) Motive sind zeitlich relativ überdauernde psychische Eigenschaften von Personen. Sie treten erst nach der Befriedigung von Trieben und Emotionen auf, z.B. soziale Motive oder Selbstverwirklichung.“ (Gabler)
Der Lebensstil wird von materiellen Faktoren bestimmt und ist eng verbunden mit den politischen und wirtschaftlichen Gegebenheiten der jeweiligen Gesellschaft. Bedeutet: Würde ich heute in Somalia leben, hätte ich eher den Drang mich am Leben zu erhalten statt mich als ‚Gothic‘ zu verwirklichen. Höhere Motive können ohne Befriedigung der Basisbedürfnisse und des Lebenserhaltungstriebes gar nicht entstehen.
Ist Gothic eine Lebenseinstellung? Nein. Unsere Einstellungen prägen den Lebensstil und sie orientieren sich an unseren Werten, z.B. Gerechtigkeit, Toleranz oder Ordnung. „Gothic“ ist aber kein Wert, also kann es keine Lebenseinstellung sein.
Ist Gothic ein Lebensgefühl? Auch nicht, denn das Lebensgefühl bezeichnet das emotionale Empfinden eines Menschen, das generelle und einigermaßen konstante „Totalgefühl“ im Leben. Entweder ist dieses positiv oder negativ – aber es ist niemals „gothic“.
Conclusio 1: Gothic ist ein Lebensstil.
Lebensstil ist die richtige Bezeichnung, denn als Goth grenzt man sich sichtbar von anderen ab – in den Freizeitgewohnheiten, im Musik- und Einrichtungsgeschmack und manche auch in ihren Lebenszielen. Je nach Wesensart, Geschmack und Einstellung sieht der Lebensstil aber bei jedem Gruftie anders aus. DEN (einzig-wahren) Gothic-Lebensstil gibt es nicht, nur gewisse Gemeinsamkeiten oder Parallelen. So erkläre ich mir, dass mich mit manchen Menschen eine tiefe ‚gruftige’ Seelenverwandtschaft verbindet – auch wenn sie gar nicht in der Szene sind – während ich mit anderen aus der Szene manchmal nur den Musikgeschmack gemeinsam habe.
Der angepasste Mensch
Wir leben in einer Gesellschaft und die tickt nach bestimmten Regeln und Normen, in die wir hineingeboren werden. Davon kann man nicht komplett aussteigen, höchstens ein bisschen. Diejenigen, die das bewusst tun und bereit sind mit wenig bis kaum Geld zurecht zu kommen oder eine Art Aussteiger-/Einsiedlerdasein zu führen – diese Menschen bewundere ich sehr. Das sind meist keine Gothics, sondern sie haben ein ganz anderes Chaos in und Erfahrungen hinter sich. Ich selbst bin aber nicht der Typ ‚Lebenskünstler’.
Irgendwo habe ich kürzlich gehört, dass die Anhänger der Gothic-Szene anders als z.B. die Punks keine komplette Veränderung der Gesellschaft fordern. Grufties haben eine Verbesserung der Gesellschaft wohl schon längst aufgegeben. Wir leben, träumen oder flüchten uns lieber in eine selbstgeschaffene Welt/Enklave. Einige von uns prangern auch gesellschaftliche Missstände, bedenkliche Entwicklungen und verlorene Werte an, aber richtig aktiv geworden und damit ins Massenbewusstsein ist noch kein Goth getreten. Oder fällt euch einer ein? Da waren die früheren Punks doch rebellischer und lauter – Anarchie ist aber keine Lösung, auch wenn es als Schriftzug auf dem T-Shirt toll aussieht. Zu starke gesellschaftliche Anpassung jedoch auch nicht. Ich möchte auf alle Fälle vermeiden wie ein funktionierender Automat in der verwalteten Welt zu werden, die der deutsche Philosoph Theodor W. Adorno im Video hier aufzeigt.
Ich bin niemand, der für mehr Geld oder Karriere um jeden Preis alles stehen und liegen lässt. Ich lebe nicht für meine Arbeit, auch wenn ich meinen Job sehr gern mache und mir berufliche Erfolge gut tun. Aber meine Seele ernährt sich von Stücken in der Freizeit und auch von einer gewissen Freiheit.
Schauerkultur
In Sachen Literatur, Film, Kunst und Malerei bewegt mich alles, was düster, schaurig, skurril oder bizarr ist. Pauschal gesagt, interessiert mich die Adaption und Interpretation des Bösen in der Kultur. Zwischendurch kann mir aber auch Bunt-Schrill-Schräges oder Lustiges gefallen.
Literarisch liebe ich Schauerromane und Gothic Novels von Poe, Hawthorne, Shelley, Stoker, Lovecraft, Stevenson, E.T.A. Hoffmann… oder auch Klassiker, die mich schon während der Schulzeit auf den schwarzen Pfad der Lesetugend geführt haben ;-). Sie haben damals mein Interesse an den Schattenseiten der menschlichen Psyche, an Tod, Mystik, Über- und Unterirdischem geweckt. Beeindruckt haben mich besonders Goethes „Faust“ und der „Erlkönig“ sowie Shakespeares „Hamlet“. Heute höre ich gern die Gruselkabinett-Hörspiele, mag (Psycho-)Thriller und habe ein Lese-Abo auf alles Außergewöhnliche oder Morbide.
Filmisch bin ich sehr vergangenheitsbezogen und bevorzuge auch hier mystische Thriller, Gothic- oder Horror-Movies (aber kein Splatterkram!) sowie gern schräge Streifen und B-Movies. Außerdem liebe ich Stummfilme! Das fing mit „Nosferatu“ und „Dr. Caligari“ an, seitdem grabe ich mich konsequent durch das Filmvermächtnis von Murnau, Fritz Lang, Dreyer, Paul Leni und anderen. Aber auch Filme mit Ton und in Farbe aus dem vorigen Jahrhundert, ob nun von Hitchcock, Buttgereit, Cronenberg, Scorcese, Verhoeven oder Carpenter.
Malerisch mag ich die Werke der alten Düstermeister Caspar David Friedrich, Caravaggio, Füssli, Maxa u.a.. Von den heutigen Malern/Künstlern schätze ich HR Giger, weil seine Werke so skurril, verrückt und finster sind. Der aktuelle Gothic-Stil in der Malerei von Luis Royo, Victoria Frances & Co. geht mir persönlich schon wieder zu sehr in die – naja – kommerzielle Richtung. Auch wenn diese Bilder schön und sehr gut gezeichnet sind, habe ich oft den Eindruck, dass die Motive extra für einen vermarktbaren Gothic-Kalender erschaffen wurden.
Musikalisch hatte ich mich ja beim Gothic Friday im Februar schon entblößt.
Retroromantik
Ich besitze eine Vorliebe für antike, dunkle Möbel, für Sachen vom Flohmarkt, für das traditionelle Handwerk (Schmiedearbeiten *schmacht*), für Kleidungsstücke aus früheren Epochen, für Kerzenleuchter statt Energiesparlampen, für edelhistorische Stoffe wie Brokat und Damast, für Quasten, alte Apparate und Werkzeuge usw. Das alles findet sich auch in unserer Wohnung wieder, schwarzromantisch garniert mit getrockneten (oder frischen) Rosen und manchmal auch mit einer Spinnwebe. 😯
Aus meiner Sicht ist eines der zentralen Elemente des Gothic-Lebensstils die Besinnung, Auseinandersetzung und z.T. auch Glorifizierung der Vergangenheit und früherer Epochen. Viele Gothics mögen das Mittelalter (ich nicht so) oder die viktorianische Zeit (schon eher). Eine gewisse „Vergangenheitsfaszination“ (bei manchen auch „Sehnsucht“) ist jedenfalls den meisten Gothics eigen – auch mir. Ich möchte in diesem ‚Früher’ zwar nicht leben, aber gern eine Zeitreise dorthin unternehmen um mir alles anzuschauen und aufzusaugen. Dafür bräuchte ich einen großen Transporter, mit dem ich genügend Möbel und Stoffe ins Heute importieren kann.
Tod und Leben
„Der beste Ratgeber, den Sie in Ihrem Leben haben, ist der Tod.“ (Jürgen Fliege, Theologe)
Die Beschäftigung mit dem Tod begann bei mir im Alter von 14 – als meine Ur-Oma starb. Ich bin seitdem immer gern auf Friedhöfe gegangen und habe sie nie als bedrückend empfunden. Sie sind für mich friedliche Orte der Ruhe und Selbstfindung und aufgrund der Erinnerungen in Stein meist interessanter als jeder Park.
Der Tod schreckt mich nicht ab, sondern er fasziniert mich. Nicht in dem Maße, dass es zum Bestatter oder Pathologen reichen würde, sondern eher in anthropologischer Hinsicht. Wie gehen wir und andere Kulturen damit um, welche Bräuche und Riten gibt es und warum?
Leider ist alles was mit dem Sterben zusammenhängt in unserer Gesellschaft tabu, findet nachts statt oder wird verdrängt. Dem Tod geht es dabei wie dem Alter – man spricht nicht darüber und zeigt ihn nicht. Aber er gehört wie das Älterwerden zum Leben dazu und je intensiver ich mich damit beschäftige, desto besser komme ich auch im eigenen Leben klar.
Man sollte immer mal innehalten und sich vor Augen führen, dass wir alle in einem Zug sitzen, der langsam aber unaufhaltsam in Richtung Friedhof fährt. Auf der Fahrt dorthin sollten wir tun, was uns gut tut.
Dunkelsaison
Einer meiner Lieblingsmonate ist der vielverachtete November. Herbstnebel wabern über die Wiesen, im Wald duftet es nach modriger Erde von heruntergefallenen Blättern, der Himmel ist grau und die Temperatur fröstelig. Ich schätze zwar jede Jahreszeit – fühle mich aber im Herbst und im Winter am wohlsten. Jemand, der 365 Tage im Jahr nur „in die Sonne“ will, pflegt für mich keinen Gothic-Lebensstil. Sonne ist nicht creepy, nicht mystisch und Schatten ersetzt keinen Herbst. Nicht umsonst gibt es auf Hawaii keine Grufties (begegnet ist mir da jedenfalls keiner).
Das fehlende Element
Ich bin nicht melancholisch und auch nicht sonderlich philosophisch veranlagt. Ich mag es lieber praktisch und locker. Lachen geht auch ganz gut. Daher philosophiere ich selten mit anderen über Goth und die Welt, über Texte in Songs oder Gedichten. Weil mich das ganze Philosophieren bislang nie weitergebracht hat. Dennoch: dieser Text war seit langem mal wieder ein Anreiz es zu tun. Ich fand es anstrengend (bin ja ungeübt 🙂 ), aber das Thema war mir wichtig. Weil aber für mich zum Goth-Lebensstil auch Melancholie und philosophische Auseinandersetzung mit der Welt gehören, ist das wohl ein fehlendes Element zum Vollblutgruftie – wie maehnenwolf es treffend in ihrem Beitrag betitelte.
Schwarzwurzeln
Wenn man heute in der Geschichte kramt, Burgen und historische Stätten besucht, Gothic-Novels liest oder alte Filme schaut, dann fällt einem auf, dass es auch früher schon Menschen gab, die sich für Skurriles und geisterhaft-mystische Stimmungen interessierten oder diese sogar entstehen ließen. Lange bevor es die schwarze Szene und den Begriff Gothic oder Gruftie gab. Sie haben sich in der Renaissance aus Faszination für die antike Vergangenheit Ruinenberge in ihre Gärten gebaut (auf so eine Idee kommt man normal ja nicht!). Reiche Adlige sammelten Schrumpfköpfe, Mumien oder präparierte Elefantenfüße, um sie einer skurrilen, privaten Sammlung zuzuführen. Mary Shelley, Lord Byron & Co. trafen sich regelmäßig zum „Gespenstertee“. Das sind nur drei Beispiele – es gibt viele mehr. Sie alle pflegten einen Lebensstil, den ich auch als Gothic bezeichnen würde. Sie bevorzugten den morbiden Verfall, einen wohligen Gruselschauer oder sie forschten an Leichen und brachten somit die medizinischen Kenntnisse voran.
Conclusio 2: Lebensstil und Szene sind zwei paar (schwarze) Schuhe
Ich komme zu dem persönlichen Schluss, dass man den Gothic-Lebensstil und die schwarze Szene getrennt betrachten muss. Der Lebensstil ist nicht aus der schwarzen Szene hervorgegangen – sondern er entsteht aus einer inneren Motivation heraus, aus einem Konglomerat von Gedanken, Vorlieben, Interessen, Werten und persönlichem Geschmack. Er kann aber durch Austausch mit Anderen innerhalb der schwarzen Szene intensiviert werden. Auch ich habe viele Facetten meines heutigen Lebensstils schon lange vor meinem Szeneeinstieg gelebt und habe ihn in der schwarzen Szene noch weiter vertieft. Ich habe viele Freunde, bei denen das genauso ist. Zuerst der Lebensstil, dann die Szene. Denn die ist für viele Menschen (nicht alle!) mit Gothic-Lebensstil der Treffpunkt, für manche auch die Heimat geworden.
Das heißt im Umkehrschluss: Wer in der schwarzen Szene ist, muss nicht unbedingt einen Gothic-Lebensstil führen. Er kann auch nur die Musik mögen, die Kleidung oder die gut aussehenden Mädels toll finden ;-). Für die Szene gibt es keine Einlasskontrolle und auch kein Lebensstil-Diktat. Sie ist offen für alle, die sich in ihr wohlfühlen.
(Sowas kommt dabei heraus, wenn ich philosophiere.)
24 Kommentare zu „Gothic Friday – September – Ist Gothic (m)ein Lebensstil?“
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Wieder ein sehr guter Artikel von Dir, der keineswegs langatmig ist. Interessant auch der Verweis auf frühere „Düster“-Verehrer. Ja, gerade die Romatiker hatten es da schaurig drauf 😉 Siehe C.D. Friedrich und einige Dichter, die z:t: vor Weltschmerz vergingen (Novalis, Lenau). Historismus zieht sich durch die Weltgeschichte. Wie heißt es so schön: Das Vergangene ist vertraut, die Gegenwart kennen wir, die Zukunft ist ungewiss?
Ich denke, niemand würde heute gerne im Mittelalter leben. Dennoch fasziniert es, wie früher gelebt und gearbeitet wurde. Wie eine Reise in eine andere Kultur, ein fernes Land. Vielleicht deshalb so spannend, weil wir heutzutage wirklich überall hin reisen können – nur nicht mit der Zeit?
Ich denke auch, dass die Vorliebe für Schauriges, Antikes, Altes oder Romantisches nicht zwangläufig zum Gothic-Sein führen müssen. Aber es ist doch erstaunlich, wie verbreitet solche Präferenzen doch innerhalb der Szene sind. Vielleicht ist sie wirklich ein Sammelbecken vieler, die irgendwie auf der (Sinn-)Suche sind und dabei eher in die Tiefe und Dunkelheit blicken als ins Bunte und Grelle? Die hinterfragen statt hinnehmen, resignieren statt kämpfen, trauern statt verdrängen? Spannende Frage…
Liebe Grüße von Caro
Ja, wir haben 2015 und es hat noch keiner geschafft in die Zeit zu reisen. Ich habe auch den Verdacht, daran forscht gar niemand mehr… Es wäre so schön, zurück zu reisen. Ich würde verschiedene Epochen und Zeitalter abklappern und mir dann die Beste aussuchen zum Bleiben. Vielleicht sind ja schon ein paar Forscher in die Vergangenheit gereist und alle da geblieben? Man hat dann das Experiment für gescheitert erklärt, dabei ist es gelungen. Wohin würdest Du reisen, wenn Du könntest? Würdest du bleiben wollen?
Ich bin nicht auf der „Suche“ im suchenden Sinne. Ich weiß, dass es zu spät ist für die Vergangenheit 🙂 und ich im Heute klar kommen muss und auch klar komme. Was ich versuche, ist die schönen Dinge aus vergangenen Tagen ins Heute zu ‚retten‘ – in allen Formen, allen voran Möbel und Dekoration, dann auch Kultur (Literatur, Filme, Malerei). Früher hatten die Dinge mehr Wert, waren langlebiger und man hat sich für die kleinsten Details unendlich Mühe gegeben. Heute ist alles nur noch schnell und praktisch. Ich empfinde unsere Zeit als lieblos, nüchtern und ich denke, so geht es vielen Grufties. Wir brauchen mehr Stimmungen, in denen man sich verlieren kann, mehr Genuss von Atmosphäre und mehr Dunkelschönes! Jeder füttert seine Seele zwar mit etwas anderem, aber Gothics bevorzugen eben oft dieselbe Küche – im übertragenen Sinne.
Das es ein Sammelbecken derjenigen, „Die hinterfragen statt hinnehmen, resignieren statt kämpfen, trauern statt verdrängen“ ist, hast Du gut beobachtet, schön in Worte gefasst und dem würde ich mich anschließen. Zumindest denke ich, dass eine Mehrzahl der Grufties ihrem Wesen nach so sind. Wir sind die Träumer, nicht die Rebellen. Rebellen glauben daran, im Hier und Jetzt etwas ändern zu können. Den Glauben daran haben wir (zumindest spreche ich für mich) schon längst aufgegeben (=resigniert).
Liebe Grusels von Shan
Durch Zufall hier her gekommen!
„Aber nach allem, was ich gelesen und gehört habe, würde ich sagen: Früher war mehr Lametta! Nee, ehrlich gesagt, ich habe gehört, es ging mehr um den Spaß, um die Musik und alles war gar nicht so tiefsinnig, wie man immer glauben mag. Aber die Faszination für das Düstere muss trotzdem einigen zu eigen gewesen sein. Damals gehörte ja auch noch etwas mehr “Mut” und “Hingabe” dazu, Goth zu sein als heute, wo wir von den Medien ja mittlerweile schon heiß und innig geliebt werden wie schwarze Schoßhündchen. Damals musste man als Gruftie oder Waver schon einige Tiraden über sich ergehen lassen, Schlägereien einplanen mit Rechten, man war (als Satanist) gefürchtet und verachtet zugleich.
Volltreffer aus meiner Sicht! 🙂
Danke Dir 😉
…wow…
lese mich hier gerade aus persönlichen Gründen ein wenig ein… und das ist wirklich eine schöne Abhandlung zu dem Thema….die Toleranz habe ich auch schon erleben dürfen…als hell gekleideter Fremdkörper einer schwarzen Veranstaltung…das mag ich.
Ich werde wohl nicht die Seiten wechseln, aber ich spüre, dass mich das Thema von nun an etwas begleiten wird…
Dank
dafür
freut mich deinen Blick auf andre Dinge zu lenken, auch wenn du unseren Horizont erweitern willst 🙂
Solange deinen Neugierde behältst ist es egal auf welche Medien du zugreifst, wichtig ist eben nur das du nicht der Lethargie der Dauerberieslung erliegst.
zumindest entgehste so dem MedienTerror der privaten Sendeanstalten Shan 🙂
passt ganz gut zu der Sendung die ich heute sah auf Arte, ne Wiederholung von 2009 zu alternativen Musik der 80, wo ich nun erkannt hab, das industriale sounds eigentlich der damaligen Gothic-Szene entsprang, und Industrial Hardcore daraus entwickelte. Lenny Dee hatt sein Plattenlabel „Industrial Strengh Records“ genannt, zumindes ergibt das mit dem Hintergrund ein kompletteres Bild =P
Würde dir gerne „BLAME!“ und „ABARA“ ans Herz legen, Shan; wenn H.R.Giger Mangas zeichnen würden könnten sie auch so aussehen wie diese beiden von Tsutomo Nihei.
Interesant war eigentlich auch „Darkchylde“, ne anfangs 17jährige, deren Träume Realität werden sollten, blöd nur das sie Albträume hatt und ihre Dämonen in die Welt entlässt. Allerdings sind meine Ausgaben damals noch in D-Mark bezahlt, also wirste wohl schwer an die Papierform rankommen…
@solitary_core: Ja, ich vermisse bei meinem Nicht-TV-Konsum auch nix, aber manchmal merke ich, dass ich bei manchen Sachen bisschen ‚weltfremd‘ bin. Oder TV-fremd? Ich glaube aber, es ist weniger Gutes als Schlechtes, was mir da entgeht. 😛
Ja, die ARTE-Sendungen über die 80er sind wirklich klasse und man kann viel lernen. Auch wenn die damalige Szene wohl noch nicht Gothic-Szene genannt wurde. Aber der Industrial ist bereits in dieser Zeit entstanden – in Form von Throbbing Gristle, Cabaret Voltaire, SPK und den Neubauten.
Danke für den Tipp: Ich habe mir die Bilder von Tsutumo Nihei angesehen (bei Google). Nicht schlecht! Auch wenn ich wohl nicht mehr der große Manga-Fan werde. Aber gut zeichnet er wirklich. Könnte definitiv was für meine Cousine Sandra sein…
Jürgen Fliege fand ich schon immer
merkwürdig *g* Und das, ohne mich näher
mit ihm beschäftigt zu haben. *ggggg* ;D
Und passen Sie immer gut auf sich auf… 😉
Ich glaub, ich schau einfach viel zu wenig Fernsehen…
@shan dark: Jürgen Fliege ist mir aus den 90ern noch ein Begriff. Damals wohl der erste TV-Pfarrer in Deutschland. Vielleicht war und ist der eine oder andere Satz, den dieser Mensch von sich gibt, gar nicht so verkehrt, doch zwischen seiner ganzen Selbstherrlichkeit und dem ganzen Schwachsinn, den er so von sich gibt („Scientology ist eine Religion“), schwer zu erkennen.
Benjamin von Stuckrad-Barre hat erst kürzlich einen Tag mit Jürgen Fliege verbracht und seine Eindrücke hier wiedergeben:
http://www.welt.de/vermischtes/prominente/article13597049/Alles-kostet-Geld-und-auch-mein-Service-kostet.html
@Marcus: **hust** Oh je, wenn ich das vorher gewusst hätte, was der Fliege für einer ist… der Stuckrad-Barre-Beitrag ist ja verheerend! Aber der Spruch von ihm ist wirklich gut – ich habe ihn auch in der erwähnten Reportage positiv wahrgenommen (sonst hätte ich ihn nicht zitiert).
@Melle: 😉 Wein, Totenschädel und Skelette – ja das passt irgendwie düster zusammen.
hehehe, doch den Hang zu Düsterem habe
ich schon ganz definitiv. Schon als Kind fand
ich Totenköpfe und Skelette toll. Auslöser dafür
war wohl das weintrinkende Skelett aus
„Das letzte Einhorn“, das mich auch irgendwie
an meine verschrobene Tante erinnerte *g*
Gib mir den Wein!!!! Jaaa, DAS ist der STOFF,
DAS IST WEIN!!! ;D
Naja, und mein Humor ist ziemlich abgründig. 😉
@Shan Dark: Ich bin etwas geschockt, dass Du Jürgen Fliege zitiert hast. Was mich aber noch mehr „schockt“: Das Zitierte klingt gar nicht verkehrt. Sehr überraschend.
„Man sollte immer mal innehalten und sich vor Augen führen, dass wir alle in einem Zug sitzen, der langsam aber unaufhaltsam in Richtung Friedhof fährt. Auf der Fahrt dorthin sollten wir tun, was uns gut tut.“ – Absolute Zustimmung. Nutze den Tag, genieße das Leben – so sollte es sein.
Der in einigen Kommentaren angesprochene Begriff „Independent“ ist mittlerweile leider auch nicht mehr so positiv belegt. Ende der 80er- und in den 90er-Jahren stand er für „Underground“, kreative Unabhängigkeit und einen gewissen Idealismus. Leider wurden – man kennt das ja aus anderen Bereichen nur zu gut – die Indie-Bands von großen Plattenfirmen unter Vertrag genommen, kräftig kommerzialisiert und verloren so ihre Unabhängigkeit. Letztendlich ist es eben einfach schwer bis unmöglich, seinen persönlichen Lebensstil in ein Wort zu fassen. Zu komplex und vielschichtig ist das Leben.
Danke, dass ihr alle durchgehalten habt – trotz des langen Textes (ich habe die Schmerzgrenze auch gefühlt ;-)). Ich finde, dass es keine allgemeine Aussage geben kann, wie der Gothic-Lebensstil aussieht oder auszusehen hat. Da gebe ich euch allen irgendwie recht und Marcus hat es mit „zu komplex und vielschichtig ist das Leben“ gut auf den Punkt gebracht. Mir gefällt aber auch r@zorbla.de’s „steuerndes Dreieck“ aus Lebenseinstellung, Lebensweise und Lebensstil, dass das Leben beeinflusst, dass auch den Goth-Lebensstil beeinhaltet, aber eben nicht nur diesen, sondern auch normale Lebensweisen gleichberechtigt zulässt. Weil wir alle nur Menschen sind und Menschen unterschiedliche Erfahrungen und vor allem Geschmäcker haben. Da der Lebensstil stark vom Geschmack geprägt ist, kann er gar nicht für alle gleich sondern für jeden nur anders aussehen. Gemeinsamkeiten gibt es aber dennoch.
@Melle: Du fragst, was einen wahren Gothic ausmacht. Ich kann da nur meine persönliche Meinung sagen und die ist, dass „wahre Gothics“ (huaaarh!!) für mich eine Faszination für das Düstere haben – in welcher Form auch immer (Literatur, Film, Malerei, Atmosphäre, Skurrilitäten, Geschichtliches, Jahreszeiten und auch Musik). Nicht auf der ganzen Linie, aber es sollte vorhanden sein irgendwo und das merkt man auch relativ schnell, wenn man sich näher kennenlernt. Wer düstere (getragene, melancholische, atmosphärische…) Musik mag, der mag die ja auch aus einem gewissen Grund. Sie bringt die Seele zum Schwingen (@Schattenloser: die Vertonung der Seele ist sehr schön!). Ein Gothic-Lebensstil ist für mich in einigen Teilen zudem anders als der von anderen Menschen (sonst wäre es kein eigener Lebensstil nach der Gablerschen Definition s. Artikel). Andere mögen lieber den Tag als die Nacht, den Strand statt des alten Gemäuers oder Friedhöfe, (Mode-)Trends statt den eigenen Kleidungsstil. Ganz ehrlich, wenn auf jemanden diese 3 genannten Dinge zutreffen, dann würde ich nicht auf den Gedanken kommen, dass er Goth ist – er wäre halt einfach in der Szene aufgrund äh…vermutlich aufgrund der Musik. Musik ist der kleinste gemeinsame Nenner für die Szene, da gebe ich Death Disco recht. Aber sie ist es nicht für den Lebensstil, da gehört schon noch bisschen mehr dazu. Meine Meinung. Ein Vollblutgruftie muss man allerdings nicht sein, zumal sich die Frage stellt, was das überhaupt ist und ob er noch leben würde mit ü25. Ich wäre da schon mehr als 10 Jahre tot. 😉
@Death Disco: Eine Einlasskontrolle sehe ich nach wie vor nicht in der Szene. Um in der Szene zu sein ist nur wichtig, dass man etwas an ihr mag – bei den meisten ist das eine der vielen Musikrichtungen – und dass man sich nicht gänzlich wie der letzte Proll benimmt, sonst wird man nämlich nicht ernst genommen. Nicht mal die schwarze Farbe muss sein, man muss sich beim WGT nur mal umschauen. Aber OK, wenn man Musik und/oder Outfit als Einlasskriterium nimmt, dann hättest du wieder recht. Zum Reinschnuppern und schwarze-Szene-Testen reicht beides völlig aus – ich würde es auch als „Gothic light“ bezeichnen. Einen Gothic-Lebensstil muss man jedenfalls nicht haben um bei den schwarzen Kindern mitspielen zu dürfen. Sicher liegt es auch daran, dass die Szene heute viel zu heterogen ist, da gebe ich Dir recht. Die reine „Gothic-Szene“ gibt es ja schon nicht mehr bzw. sie ist nur noch ein Bruchteil davon, vllt. die Subkultur in der Subkultur. Auch eine Sache, die man mal ernüchternd betrachten und sich eingestehen muss. Aber gerade deswegen kann aus dieser Szene kein wirklicher Lebensstil entstehen, sondern nur geschmackliche Präferenzen. Sie macht aber aus einem Normalo keinen Gothic, denn dafür müssen die Anlagen schon in ihm/ihr drin sein…
Black Metaller gibt es doch einige, die auch ab und zu in der schwarzen Szene vorbeischauen, wenn sie sich derer auch nicht komplett zugehörig fühlen – so ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung. Ob sie sich aber zur Metaller-Szene rechnen…nun, ich kenne nur solche, die sich so wie viele Gothics nicht eingruppieren lassen wollten, weder in Metal noch in Goth. Goth ist den Black Metallern zu weich und Metal zwar nicht zu hart :-P, aber zu allgemein/unspezifisch.
Tja, was in den 80ern war, wie die Gothics da waren kann ich nicht beurteilen, da zu jung und DDR-Kind. Aber nach allem, was ich gelesen und gehört habe, würde ich sagen: Früher war mehr Lametta! Nee, ehrlich gesagt, ich habe gehört, es ging mehr um den Spaß, um die Musik und alles war gar nicht so tiefsinnig, wie man immer glauben mag. Aber die Faszination für das Düstere muss trotzdem einigen zu eigen gewesen sein. Damals gehörte ja auch noch etwas mehr „Mut“ und „Hingabe“ dazu, Goth zu sein als heute, wo wir von den Medien ja mittlerweile schon heiß und innig geliebt werden wie schwarze Schoßhündchen. Damals musste man als Gruftie oder Waver schon einige Tiraden über sich ergehen lassen, Schlägereien einplanen mit Rechten, man war (als Satanist) gefürchtet und verachtet zugleich. Von daher kann es nicht „nur“ Musik und Kleidung bei allen gewesen sein. Aber wie gesagt, nicht selbst erlebt. Da spielt die Blinde mit der Farbe…
@Marcus: Welches Fettnäpfchen hab ich denn erwischt mit Jürgen Fliege? Mir sagt der gar nichts, aber den Spruch habe ich in der wirklich sehr sehenswerten, vierstündigen Spiegel-Reportage „Der Tod – das letzte Mysterium“ aufgeschnappt. Da war der Herr Fliege im Interview zu sehen/hören.
Hi!
Sehr schöner und umfangreicher Beitrag!
Der aber auch wieder die Frage aufwirft,
was denn einen wahren Gothic nun
tatsächlich ausmacht. Stimmt schon – von
hawaiianischen Grufties hab ich jetzt auch
noch nicht gehört. LOL! 😀 Trotzdem mag ich
zB den Sommer 1000x mehr als den Winter!
In der kalten Jahreszeit muß man sich dicker
anziehen, sich mehr vermummen. Ich persönlich
zeige gern viel Haut und mag es, wenn es
draußen warm ist ( nicht zu heiß, über 30 Grad
sind mir schon wieder zu arg ) und ich liebe
laue Sommernächte, in denen man lang
spazierengehen kann oder einfach ewig mit
Freunden draußensitzen ! 🙂 Im Winter hingegen
fällt es mir schon schwer, überhaupt morgens
aufzustehen und hochzukommen. Sehr
motivierend sind die Temperaturen draußen ja
dann nicht und wehe, wenn man nachts
irgendwann mal vergessen hat, das Badfenster
zuzumachen…. Auweia… SCHLOTTER… 😉
Ich muß meiner Meinung nach nicht zig
Bedinungen erfüllen, um mich als Vollblutgruftie
zu fühlen. Ich protestiere eigentlich auch nicht
durch das Tragen meiner schwarzen Kleidung
gegen Konsumgüter oder Spaß ( und mache
Schwarze geben zB auch in Gothicshops ganz
schön viel Geld aus ). Ich darf Science Fiction
toll finden und Minigolf spielen und trotzdem
sagen : Ja,ich bin mit Leib und Seele Gothic!
Weil es sich für mich einfach so anfühlt und ich
mich unter Schwarzen zuhause fühle, weil ich
die Musik liebe, die Kleidung und die ganze
Atmosphäre drumherum. 🙂
Im Mittelalter würde ich auch ganz gern mal
vorbeischauen. Dort leben aber nicht. Ich
liebe die heutige Mittelalterromantik auf
Burgfesten und so, weiß aber natürlich, daß
dies ein total verklärter und geschönter Blick
auf die damalige Zeit ist. Das gleiche gilt für
Fantasyfilme, die ich dennoch sehr liebe! 🙂
Aber auch andere Epochen finde ich reizvoll.
Gern würde ich auch mal in der Zukunft
vorbeischauen, Stichwort „Star Trek-Zeitalter“. 😉
Dunkle Grüße! 🙂
Melle
Sehr treffend, sehr gut, sehr interessant und sehr verständlich geschrieben … ich liebe Beträge aus denen ich immer wieder etwas lerne 🙂
Hehe. Ich weiß schon, warum ich meinen Text einmal weggeworfen und neu angefangen habe… etwas weniger analytisch dann. Und je öfter ich nachlese und je länger ich drüber nachdenke, desto richtiger und gleichzeitig falscher finde ich, was in meinem noch ungeposteten Artikel drinsteht (Siehe unten).
Wie dem auch sei: Beitrag gut & ausführlich und auch interessant. Spannend fand ich da jetzt einige persönlich zutreffende „Meta-Parallelen“ wie „damit beschäftigen aber nicht erleben wollen“ vergangener Zeiten. Die Begriffsklärung hört sich grundsätzlich solide an, aber eigentlich kann man sich bei dem Thema eigentlich nur vor Widersprüchen retten, indem man frühzeitig zu schreiben aufhörtund möglichst nicht zu konkret wird. In diesem Sinne Conclusio 1: Gothic ist ein Lebensstil. Hab ich auch behauptet, aber so wie es jetzt hier steht, bekomme ich dann doch Zweifel. Was ist denn die eine zum Gothic-Lebensstil gehörende Lebenseinstellung? Aber lassen wir das, ich hab schon einen Haufen gespaltene Haare hier rumliegen 😉
Zur Conclusio 2 kann ich auf genauso haarspalterische Weise nur zustimmen: Gothic-Lebensstil und die schwarze Szene muss man ja schon deshalb getrennt betrachten, weil Gothic ungleich schwarze Szene ist…
Ansonsten habe ich selbst lange mit mit gehadert, ob und wie Lebensstil, Lebensweise und Lebenseinstellung zusammenhängen. Ich kam für mich zu dem Schluß, daß diese drei eine Art Dreieck bilden, das zusammen die „Steuerung“ des individuellen Lebens abbildet (=> die innere Motivation) Ich stimme dabei mit @Madame Mel überein, dass dies eine der wichtigsten Feststellungen ist. Dass das Ergebnis hierbei für jeden ein wenig anders ausfällt hat @Schattenloser mit seinem „Independend“ Begriff gut getroffen.
Bei den Begriffserklärungen auf Wikipedia verwischen die Grenzen ja schon etwas. Noch heftiger ist die Spellerbergsche (schicker Name übrigens) Verquickung aller drei Begriffe zu einer Einheit. Es ist, wie ich es schon immer kannte: Frag drei Soziologen zu einem Thema, dann hast du am Ende vier Aussagen.
Ich habe versucht, diese Unsicherheit bei der Begrifflichkeit einfach mit Beispielen zu erschlagen, statt sie zu erklären.
Die Seelenverwandtschaft (hier: innere Gruftigkeit?) läßt sich mit einem einzigen der drei genannten Begriffe kaum erschlagen, so tiefgehend und komplex ist sie. Auf der anderen Seite liegt der Begriff Lebensstil nahe genug an „Lifestyle“, um Gothic – wie durch die Industrie praktiziert – zum kommerziell ausschlachtbaren und ausschließlich audiovisuell definierten aber inhaltsleeren Lebensstil zu erklären (=> materielle Ausgestaltung á la Wikipedia).
Wenn man sich die Anfänge ansieht, ist das bis auf „kommerziell“ gar nicht mal so falsch (wie @Death Disco bereits angemerkt hat) Aber… geht es da jetzt um die Szene oder um Lebensstil? Worum genau ging es damals? Ich kann das nicht wirklich beurteilen. Ich weiß auch nur, daß Musik im Spiel war. Und auch wenn zusammen mit „Musik“ oft das Wörtchen „nur“ gebraucht wird, weil man lediglich den „Geschmack“ betrachtet, so enthält die Musik doch bereits alles: Stil, Gefühl, Eigenschaft, Aussage. (Treffend ausgedrückt von @Schattenloser: Vertonung der Seele – auch wenn ich selbst noch das Körperliche hinzufügen würde).
Wenn verhaltensweisen zum Lebensstil gehören, dann weiß ich nicht welche das sein sollen. Zu unterschiedlich haben sich all die gruftig anmutenden Gestalten verhalten, denen ich begegnet bin. Das kommt mir vor, als wolle man „Sportfans“ einen gemeinsamen Lebensstil anheften. Aber ich drifte wieder ab: Ich gerate vom Lebensstil in die Szene.
Hach, mit jedem Satz wird es schwieriger statt einfacher. Deswegen hör ich jetzt auf.
Deinen tiefsinnigen Beitrag habe ich bis zum letzten Wort „verschlungen“. Die Aussage, dass der Lebensstil nicht aus der schwarzen Szene hervorgegangen, sondern aus einer inneren Motivation heraus entsteht, kann ich doppelt und dreifach unterstreichen. Danke für die Momentblicke in dein Gedankenuniversum, die sich in vielen Dingen mit meinen eigenen decken. Ich finde, es ist überhaupt kein „Muß“, sich aktiv in der schwarzen Szene zu bewegen, solange man dieses Lebensgefühl zufrieden im Herzen trägt.
Wie ärgerlich. Ich habe leider (fast) gar nichts zu meckern. Das liest sich alles wunderprächtig, fließend und verständlich. Ich stimme mit dem Text überein, den letzten Abschnitt allerdings ausgenommen. 😉
Das erklärt sich unter anderem dadurch, dass der angesprochene Lebensstil – würde er losgelöst von der Szene existieren – in den 80ern kaum bis gar nicht präsent war. Ich würde nun folglich den Mittelweg einschlagen und behaupten, dass wir hier von unterschiedlichen Formen von Lebensstilen reden. Auf der einen Seite jener, den du zum Schluss erläutert hast. Solche Menschen gab es immer. Inwieweit man diese nun unter „Gothic“ zusammenfasst, sei mal dahingestellt. Dafür wäre mir die Bezeichnung zu eingrenzend und aussparend. Auf der anderen Seite existieren die szene-internen Lebensstile, eng verknüpft mit Musik, Kleidung etc. Diese Lebensstile sind eindeutig aus der Szene hervorgegangen bzw. haben sich mit dieser entwickelt. Auch wenn sich jemand nur für Musik und Kleidung interessieren sollte und sein Leben danach einrichtet, ist das durchaus als Lebensstil zu werten. Hierbei geht die Bezeichnung Gothic vorrangig auf die Musik zurück, ähnlich wie im Metal. Auch Metal beherbergt einen/mehrere Lebensstile (man vergleiche einmal einen traditionellen Metaller mit einem Black Metaller – letzterer müsste sogar in deine Definition des Gothic-Lebensstils passen – ganz sicher aber nicht in die dazugehörige Szene).
Meine Ansichten zu Szenen dürften bekannt sein. Szenen grenzen sich immer ab. Eingangskontrolle durchaus erwünscht. Die Schwarze Szene in ihrer heutigen Form (ich grenze das mal bewusst von der Begrifflichkeit „Gothic-Szene“ ab, da ich Gothic grundsätzlich auch mit Gothic-Musik verbinde) würde ich hingegen gar nicht als Szene im herkömmlichen Sinne bezeichnen. Dazu ist sie zu heterogen, ein roter Faden bzw. ein tatsächlicher Szenekern ist innerhalb dieses „Konstrukts“ gar nicht vorhanden.
Sehr schön formulierte und durchdachte Abhandlung zum Thema, Dina. Ich habe interessiert bis zum letzten Buchstaben durchgehalten 🙂 ……..(und ich lese sonst gar nicht gerne).
Insbesondere der letzte Absatz deines Fazits trifft es zu 100 Prozent auf den Punkt.
Ich persönlich habe mich nie in Schubladen stecken lassen. In der schwarzen Szene bin ich seit mehr als 20 Jahren als Einzelgänger unterwegs gewesen. Ob ich dazu gehört habe, kann ich nicht beurteilen. Zumindest habe ich mich darin immer wieder sehr wohl gefühlt und konnte dort meinen Seelen-Frieden finden wie sonst kaum an einem anderen Ort (außer in den schottischen Higlands oder beim Musik schreiben).
Die Atmosphäre in der Musik spiegelt so stark eine innere Sehnsucht in mir, dass ich seit mittlerweile 30 Jahren nicht mehr davon los komme.
Ich bezeichne Musik auch gerne als die Vertonung der Seele. Daher ist es für mich auch sehr wichtig geworden, selbst Musik zu schreiben.
Wer meine Wohnungseinrichtung sieht, wird nicht im Entferntesten darauf kommen, dass ich solche Musik höre 🙂
Ich liebe schlichte Formen, karge Einrichtungen und die Architektur des Bauhauses. Trotzdem gefallen mir aber auch romantisch-düster-morbide Stile. Nur darin leben möchte ich nicht.
Unabhängig von der strengen Bauhaus-Architektur liebe ich die gotische Architektur, morbide Fotografie und ebensolche Filme. Aber auch bitterbösen Zynismus und bizarre Begebenheiten in Wort und Bild.
Das mag teils widersprüchlich klingen, aber letztendlich ist eine Persönlichkeit mit all ihren Vorlieben, Einstellungen und Interessen das Produkt aus allen Lebenserfahrungen eines langen Lebens. Vielschichtig, komplex……..und eben deutlich mehr als nur eine Schublade (wohl eher eine ganze Kommode).
Mit Begrifflichkeiten und Schubladen habe ich schon immer meine Schwierigkeiten gehabt. Daher bezeichne ich mich auch ungerne als Teil der schwarzen Szene. Für meinen Geschmack reduziert es ein Individuum zu sehr auf einen Teil der Persönlichkeit. Mir hat der Begriff „Independent“ schon immer viel besser gefallen. Dieser Begriff ist wirklich unabhängig, engt nicht ein und läßt alle Vorlieben und Interessen eines Individuums zur Geltung kommen. Und der Begriff läßt mich auch für Außenstehende weniger klischeehaft und deutlich nebulöser erscheinen.
Interessant finde ich, dass ich seit knapp zwei Jahren nicht mehr nur alleine durch Clubs und in Konzerte tingeln muss. Durch puren Zufall habe ich über eine Person aus der schwarzen Szene doch eine ganze Menge sehr netter Leute kennengelernt 🙂
Und seitdem macht es einfach noch viel mehr Spaß 🙂
Sehr schoen, Frau Professorin!
da hat sich die Arbeit ja gelohnt.. as goth as can be.
„Es gibt keine Einlasskontrolle“ und keinen Rausschmeisser, Toleranz gehoert auch dazu, und das kommt unter anderem sehr gut rueber.
DG,
Roman