Gothic Friday – Februar – Musikbuchhaltung im Stereodreieck

Nach dem erfolgreichen Start des Gothic Friday im Januar geht es in diesem Monat um Leidenschaft für die Musik, die uns allen den Weg in die Szene verdunkelt hat. Robert von Spontis.de und ich stellen dazu 10 Fragen. Ich führe hier also zur Hälfte ein Interview mit mir selbst. Schwierig genug war das trotzdem… 😮

Jeder, der Lust hat, kann am Gothic Friday teilnehmen und einen Artikel schreiben bzw. im Februar die 10 Fragen zur Musik beantworten. Wenn Du keinen eigenen Blog oder Webseite hast, dann kannst Du Deine Gedanken gern in einem „Gastartikel“ hier auf dem schwarzen Planeten veröffentlichen. Schicke mir dazu einfach eine Nachricht – alles weitere klären wir dann per E-Mail. Jeder der mitmacht – egal ob als Blogger oder mit einem Gastartikel – kann bei der halbjährlichen Verlosung ein „schwarzes Gewinnpaket“ mit Hör-/Büchern und CDs gewinnen.

10 Fra­gen zur Musik an Shan Dark

Was bedeu­tet Musik für Dich? Wie wich­tig ist sie Dir?

Musik-meine-beste-freundin
So sieht sie aus, meine beste Freundin 😉

Musik ist meine beste Freundin. Sie ist immer da, wenn ich sie brauche. Mit ihr kann ich feiern, gemeinsam in Erinnerung schwelgen, abdrehen und gedanklich wegdriften. Bei schmerzlichen Erfahrungen hilft sie mir mein Hirn auszuschalten oder sie tröstet mich. Musik regt mich an oder auch auf, wenn sie zur Situation unpassende Töne anschlägt. Manchmal bleibt sie auch unaufdringlich im Hintergrund, wichtig ist dann nur, dass sie überhaupt da ist.

Musik ist die einzige Freundin, von der ich weiß, dass sie mich ein Leben lang begleitet.

Als ich Teenie war vergingen keine 3 Stunden ohne Musikhören. Heute vergeht zumindest kein Tag ohne meine beste Freundin. Falls doch, fehlt mir etwas. Auch wenn ich mittlerweile die Stille schätzen gelernt habe, sind wir trotzdem fast jeden Tag in Kontakt.

Mein Freund hat auch eine enge Beziehung zu meiner besten Freundin. Er ist sogar süchtig nach ihr, braucht seine tägliche Dosis. Die Musik, ich und er – eine Dreiecksbeziehung ohne Eifersucht und mit gegenseitiger Befruchtung ;-).

Wel­che Rich­tun­gen »schwar­zer Musik« hörst du? Nenne ein Bei­spiel, das für Dich die Bedeu­tung des Genre am bes­ten wie­der­gibt.

Die Übergänge zwischen den einzelnen Subgenres sind ja oft fließend. Bei manchen Bands fiel es mir schwer, sie nur einer oder überhaupt einer schwarzen Musikrichtung zuzuordnen. Bei einigen musste ich auch nachschauen. Kam mir bisschen vor wie ein Musikbuchhalter, der versucht Töne abzuheften. Aber „ich habe fertig“ und meine Sound-Ordner absteigend nach meiner aktuellen Hörhäufigkeit sortiert. Dazu jeweils meine am liebsten gehörten Bands je Genre und ein Hörbeispiel.

Post-Industrial

Skinny Puppy – Testure und Front Line Assembly, Einstürzende Neubauten, Laibach, Alien Sex Fiend, Liaisons Dangereuses, Ministry (eher Industrial-Metal)

Oldschool-EBM / Elektropunk

DAF, Portion Control, Front 242, Nitzer Ebb u.v.m.

New Wave / Synth-Pop / Underground-NDW

Kraftwerk, Gary Numan, Ultravox – Mr. X, The Human League, Blancmange, Depeche Mode, OMD, Soft Cell, A Flock Of Seagulls, Fad Gadget, Tones On Tail, Grauzone, Fehlfarben, Rheingold, Silvia, Sixth June… also ich höre jetzt hier auf, das sprengt sonst den Blog 😆

Neoklassik / Ritual

Dead Can Dance, In The Nursery, Arcana, Unto Ashes, Ordo Equitum Solis und die Entdeckung des WGT 2006: Rosa Crux – Terribillis

Goth / 80s Dark Wave

Bauhaus – Rosegarden Funeral of Sores sowie Joy Division und die 80er Sachen von Clan Of Xymox (z.B. „A Day“)

Cold Wave

Little Nemo, Trisomie 21, KaS Product und Norma Loy – 1964 Shadows

Neofolk

Wenig & selten: Rome, Death in June – Nothing Changes, Current 93

Wie wür­dest Du Deine musi­ka­li­sche Lauf­bahn beschrei­ben? Über wel­che Rich­tung der Musik bist Du in die Szene gekom­men, wel­che hast Du hin­zu­ge­won­nen, wel­chen hast Du abge­schwo­ren und was hörst Du heute?

Meinen musikalischen Werdegang und wie ich in die Gothic-Szene gekommen bin, habe ich ja schon beim Gothic Friday im Januar berichtet.

Nach meinem Umzug von Ost nach West im Jahre 2000 kam ich in den Clubs und über neue Freunde zuallererst mit deutschem Dark Wave in Berührung. Mit Deine Lakaien, Dreadful Shadows, Diary of Dreams und den Crüxshadows hatte ich circa 2 Jahre Bekanntschaft. Aber irgendwie war unsere Beziehung eher platonisch, denn die Musik dieser Bands schaffte es nicht, mich im Inneren zu berühren. Sie wirkte nicht auf meinen Bauch, nicht auf meine Seele, ging mir nicht unter die Haut. Ich habe es damals wirklich versucht, aber es war und ist nicht mein Ding.

Ich mag auch keinen Metal mehr. Wahrscheinlich hab ich es damit in den 90ern übertrieben. Bis auf ein paar wenige Nostalgie-Alben, die ich schmerzlich vermisse, wenn ich sie länger nicht gehört habe, z.B. Type O, Fear Of God, My Dying Bride und Tiamat (s.u.). Als „musikalische Sünde“ betrachte ich meine langjährige Metal-Phase aber ganz und gar nicht. Mein Musikgeschmack hat sich eben in den letzten 11 Jahren gewandelt, ist elektronischer, vielfältiger und ich bin zum „retro-begeisterten Mitdreißiger“ 🙄 geworden. Eine gewisse, treibende Härte dürfen die Songs aber gern immer noch haben.

Wie und wo hörst Du Musik am liebs­ten?

Jedenfalls so gut wie nie über Kopfhörer. Für mich müssen die Töne durch den Raum schweben, können nur dann ihre Fülle und Weite entfalten. Feinheiten müssen hörbar sein, es darf nicht blechern klingen. Daheim sind mir so Sachen wie das Stereodreieck wichtig. Guter Sound über große Boxen.

Ich höre daher selten über Computer, höchstens mal Internetradio. iTunes ist nicht meine bevorzugte Wahl. Zu mp3-Dateien kann ich keine Zuneigung entwickeln, noch dazu weil sie einfach keinen ausgewogenen Klang haben (können). Musik mag ich irgendwie auch anfassen, nicht nur anklicken. Also lieber CD oder LP. Für letzteres ist eher mein Freund zuständig, mit über 1.000 Platten ist er mein persönlicher „Schallplattenunterhalter“ ;-). Ich mag den warmen Klang von Vinyl und die Nostalgie. An CDs schätze ich schöne CD-Cover, Booklets und die Bequemlichkeit.

Lesen, Schreiben und konzeptionell Denken mit Musik geht bei mir nicht. Bin da gar nicht multitaskingfähig. Wiederum sind Autofahren und Musikhören für mich „the perfect match“. Da kann ich mich am besten drauf konzentrieren, höre sie meist richtig laut, singe auch mit und schalte das Kopfkino an.

Manchmal – eher in den Wintermonaten – liebe ich es, mit meinem Freund zusammen auf oder im Bett zu liegen und bei flackernden Kerzen etwas Atmosphärisches von Dead Can Dance, Vangelis oder Arcana zu hören. Wunderbar, aber selten.

Wel­che Musik hörst Du außer­halb der typi­schen dunk­len Musik noch?

  • Experimentelle Elektronik mit düsterer Grundstimmung, z.B. Lassigue Bendthaus, Haujobb, Job Karma (auch eine tolle WGT-Entdeckung)
  • Atmosphärische, elektronische Klangteppiche von Jean-Michel Jarre oder Yello
  • Soundtracks (meine Lieblinge sind die Filmmusiken zu „Das Parfüm“, „Bladerunner“, „1492“, „Der kalte Finger“, „Whalerider“ und „Hannibal“)
  • ab und zu Klassik und Orgelkonzerte

Mal ange­nom­men, Du könn­test ein Instru­ment spie­len, hät­test eine tolle Stimme und wür­dest zusam­men mit Freun­den eine Band grün­den. Wel­che Rolle in der Band wäre Deine?

Bei fast jeder Band bewundere ich den Frontmann oder die Sängerin mehr als jedes gut gespielte Instrument, mehr als den coolen Gitarristen oder Keyboarder. Das ist unfair, aber schuld daran ist wohl Freddie Mercury. Mein 1. Front-Idol.

Als Frontmensch kann man sich einfach am meisten austoben, ist nicht so festgewurzelt, kann kreativ sein. Man repräsentiert die Band und wird daher auch am meisten gefordert. Enormer Druck – und genau dann bin ich am besten! Ich wäre daher gern Frontfrau und erkläre das mal mit Guldhan’s treffenden Worten: „Ich glaube am wohlsten fühlen und gleichzeitig am meisten einpissen vor Nervosität würde ich mich als Frontmann.“

Sollte ich als Frontfrau versagen, würde ich mich betrübt hinters Schlagzeug setzen und mir den Frust aus dem Bauch trommeln. Frau am Schlagzeug – DAS ist cool! Geht aber auch nur in der Phantasie, denn im realen Leben bin ich dafür motorisch völlig ungeeignet **heul**. Hab’s schon probiert.

Nenne 5 Dei­ner Alben die für Dich unver­zicht­bar mit der Szene ver­bun­den sind.

Tiamat – Wildhoney

My Dying Bride – As The Flower Withers

In The Nursery – Groundloop

Skinny Puppy – Rabies

Clan Of Xymox – Medusa

Wel­che musi­ka­li­schen Eigen­schaf­ten hat für Dich das ideale Lied?

Es ist elektronisch, beginnt mit einem schrägen Sample am Anfang, schraubt sich irgendwie hoch, steigert sich also, sorgt zwischendrin mit einer Klangfläche für Abwechslung und hat einen tiefen, männlichen Gesang. Es hält durchgehend eine Spannung, die kurz vorm Bersten ist. Danach für nicht zu lange 4 Minuten ab in den Gehörgang…

Für die Tanzfläche darf es etwas reduzierter in den Anforderungen sein und könnte so klingen wie Hyena.

Wel­che Band oder wel­chen Musiker/in wür­dest Du gern mal inter­viewen und auf wel­che Frage musst Du dabei unbe­dingt eine Ant­wort haben?

Lisa Gerrard von Dead Can Dance. Ich würde sie dabei vorsichtig anfassen und fragen, ob sie wirklich von dieser Welt ist. Ihr überirdischer Gesang lässt mich stets daran zweifeln.

Alien Sex Fiend und Skinny Puppy würde ich gern fragen, was jemand, der so wegweisende und aus meiner Sicht mit nichts zu vergleichende Musik macht, selbst privat für Musik hört. Was heutzutage ihre Inspirationsquellen sind. Und die würde ich mir gnadenlos „abhören“ ;-).

Wer oder was reprä­sen­tiert für Dich die Zukunft der »schwar­zen« Musik?

Ich sehe die Zukunft ziemlich optimistisch. Und nachdem ich auf den anderen Goth-Blogs zu dieser Frage meist gelesen habe, dass dumpfbackiger Kommerz-Elektro künftig sensibleren, engagierten, ambitionierten und differenzierten Klängen weichen soll… wird er es meiner Meinung nach auch! Wir sind zwar nicht der Nabel der Gothic-Szene aber immerhin eine kritische Masse ;-). Ich kenne viele, die nicht auf Knicklichter-Parties gehen. Die selbst Parties veranstalten bei denen meist nur „echte schwarze Musik von früher“ gespielt wird und die überdurchschnittlich gut besucht sind. Bei jungen Bands erkenne ich in manchen Bereichen auch einen Trend hin zur Nutzung alter Instrumente, damit der Sound authentisch klingt (z.B. im Synth-Pop bei der noch jungen Band Sixth June). Manch aktuelle schwarze Musik ist nicht „gewaltböse“ sondern aus einem höheren bzw. intensiveren Anspruch als dem, möglichst schnell viel Kohle einzufahren, ehrlich düster oder schräg oder historisch-angehaucht. Die Zukunft hat schon begonnen – mit neuen Musik-Genres wie Steampunk und Grave Wave. Also, geht doch. Die Szene wird anknüpfen an die Vermächtnis-Sounds früherer Bands und sie mit neuen Einflüssen anreichern (und hoffentlich nicht nur 1:1 kopieren). Alles ist und wird gut.

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6 Kommentare zu „Gothic Friday – Februar – Musikbuchhaltung im Stereodreieck“

  1. Pingback: Gothic Friday - Das Februar Resümee

  2. @Guldhan: Im (experimentellen) elektronischen Bereich sind Samples schon recht häufig – ich kenne es auch von Techno und Ambient. Auch von den oben aufgeführten Bands wie Job Karma etc. Wenn es ein gutes Sample ist, macht es das Lied interessanter und abwechslungsreicher. Ich mag besonders Samples aus alten Filmen oder Instrumentales, Neubauten-mäßiges.

    @Madame Mel: Rosa Crux haben mich auch völlig unvorbereitet getroffen und total weggeblasen. Das 1. Konzert 2006 war mehr so Zufall, weil wir beim WGT im Schauspielhaus eigentlich In The Nursery sehen wollten und mittlerweile sollte man mind. 1 Band vor dem gewünschten Act im Schauspielhaus sitzen, sonst kommt man nicht mehr rein (begrenzte Plätze). Vor ITN spielten Rosa Crux und ich war mehr als geflashed. Bei denen stimmte einfach alles: die Performance, die Musik, Gesang, skurrile Instrumente (wer bringt schon seinen eigenen Glockenbaum mit auf die Bühne?), tolle Videos…ich war hin und weg. In The Nursery konnten das danach überhaupt nicht toppen – sie verblassten, da sie auch nicht gerade ihren besten Auftritt hatten an dem Abend.

    Hussle Club kommen aus Kalifornien, sind vermutlich gar keine Gothics, aber gehören zum neuen Genre des „Grave Wave“. Ich mag das Lied sehr und auch den Titel. Passt irgendwie zur Zukunft und Neuinterpretation von Goth heutzutage…

  3. clerique noire

    Durch die frühere Bekanntschaft zu einem HipHopper/Rapper-Arbeitskollegen (ich weiß nicht mal wie man ihn richtig bezeichnen könnte) weiß ich, daß diese Musikrichtung auch sehr gerne Samples verwendet. Ein Beispiel habe ich nicht, aber besagter Kollege hat ein paar Stücke „meiner Musik“ gehört und wir kamen genau über diesen Punkt in das Gespräch.

  4. Faszinierendes Video zu Job Karmas »Ecce Homo«

    […]beginnt mit einem schrägen Sample am Anfang, schraubt sich irgendwie hoch, steigert sich also[…]

    Ein Titeleinstieg, dem ich nur beipflichten kann. Zwar muss ein gutes Stück Musik nicht mit schrägem Zitat beginnen oder ein solches beinhalten. Aber ich pflichte dem bei, dass dieses dem ganzen noch einen Extra-Knackpunkt verschafft. Feindflug beispielsweise würde ohne gar nicht funktionieren…zumindest einiges an Reiz verlieren.

    Interessant ist dabei die Frage, ob dieser Hang zu Samples auch in anderen Musikrichtungen/Szenen vertreten ist. Spontan könnte ich das gar nicht sagen. Oder es versteckt sich dahingehend auch nur in Genre, die man als Außenstehender nicht unmittelbar wahrnimmt.

  5. „Musik ist meine beste Freundin“ – sehr treffend formuliert! Schmunzeln musste ich über den Satz mit der „Dreiecksbeziehung“ 😉 Sehr schön.

    Toll, dass du Rosa Crux erwähnt hast. Die habe ich im Rahmen meines ersten (und leider bislang letzten) WGT-Besuchs Ende der 90er „entdeckt“. Damals hat mich die avantgardistische Performance zu „Danse de la Terre“ von den Socken gehauen. Ihre Musik war für mich eine sehr lange Zeit verschwunden…

    Auch in deinem Bericht habe ich viele musikalische Übereinstimmungen und gleichzeitig Gegensätzliches gefunden.

    Hussle Club? Könnte aus der Postpunk-Ecke kommen… Nö, noch nie gehört, aber Danke für den Tipp.

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