Die dunklen Burgen

Es ist ein Dienstagvormittag und ich befinde mich im Meetingparadies. Nach einer Stunde Fach- und Sachlichkeit schauen wir nun die Island-Urlaubsfotos meines Kollegen. Faszinierend, diese raue Insel! Natur groß, Mensch klein. Das landschaftliche Farbarrangement ist zwar überschaubar, aber die Subtonleiter von braun, weiß, schwarz und grün scheint mir unendlich. Philipp war im Oktober dort und Island hatte schon Minustemperaturen und Schnee zu bieten. Neben Geysiren, Vulkanen, heißen Quellen und herzlichen Isländööörn, die darin baden. Auch ich bade gerade entrückt in seinen Fotolandschaften als zack! Dimmuborgir vor mir auftaucht. „Kennste bestimmt!“, sagt Philipp schmunzelnd. Ja, die Metal Band schon. Aber ich wusste nicht, dass die in Island wohnen und sich den Bandnamen aufs Gartentor geschweißt haben.

Dimmuborgir-island

Doch die Mitglieder von Dimmu Borgir haben hier gar keinen Wintergarten, sondern Dimmuborgir ist ein Naturdenkmal in Island. Das Wort wird im Gegensatz zur Band zusammengeschrieben und bedeutet „Die dunklen Burgen“.

Dimmuborgir ist ein Lavafeld östlich des Sees Mývatn, in einer vulkanisch auch heute noch aktiven Region und es ist entstanden aus den Überresten eines Lavasees. Vor etwa 2300 Jahren verursachten die Vulkane Þrengslaborgir und Lúdentsborgir einen Lavafluss, der sich am östlichen Fuße der Vulkane im Sumpfgebiet von Dimmuborgir zu einem Lavasee aufstaute. Die Oberfläche des Sees erstarrte zu einer festen Kruste, während das unter der Lava eingeschlossene Wasser des Sumpfgebiets quasi zu kochen anfing. Der aufsteigende Dampf, der durch die Lava hindurch musste, bildete Lavasäulen in Form von Abflussrohren mit mehreren Metern Durchmesser. Aus der erstarrten Lava entstanden Kamine und Mauern, die von flüssigem Gestein umgeben waren. Anhand der höchsten „Lava-Bauwerke“ muss der Lavasee mindestens geschätzte 10 Meter tief gewesen sein. Schließlich brach der Lavadamm, der den See begrenzte und das noch flüssige Gestein konnte abfließen. Die Kamine und Wände aber blieben zurück und hinterließen bizarre Formationen, die an Burgen und Türme erinnern. Daher wurde das Gebiet Dimmuborgir genannt – zu deutsch „dunkle Stadt“ oder „dunkle Burgen“. Philipp war dort – es war imposant!

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Von Trollen & bösen Weihnachtsmännern

Die Bedeutung des Namens könnte einer der Gründe gewesen sein, warum sich Dimmu Borgir nach Dimmuborgir benannt haben. Vielleicht aber auch, weil Dimmuborgir ein mystischer Ort für die Isländer ist. In der isländischen Mythologie wird Dimmuborgir als Unterkunft von Elfen und Trollen gesehen. Die Einwohner Islands respektieren diese mystischen Wesen auf eine lockere und selbstverständliche Art und Weise – ähnlich wie die unberechenbare, raue Natur. Trolle & Co. gehören in Island einfach zum Leben dazu. Eine Freundin sagte, dass Isländer gern mal eine Straße mit Umwegen bauen, nur weil sie auf direktem Wege durch ein heiliges Trollgebiet führt und man diese ja nun nicht unbedingt stören muss. 🙂 Ich wünsche mir mehr davon für Deutschland. Dann hätte ich die große Wiese neben unserem Haus zum Trollschutzgebiet erklärt und es würden keine hässlichen Neubauten darauf gebaut.

Zu den Trollen gehören auch die 13 Yule Lads, auf isländisch jólasveinar, zu deutsch Weihnachtsgesellen. Die jólasveinar sind die isländischen Weihnachtsmänner – 13 grobe Gesellen, die an Kobolde erinnern und sich im Laufe der Jahrhunderte im Brauchtum zum Guten gewandelt haben. Heute bringen sie auch Geschenke und sehen aus wie Weihnachtsmänner, aber ursprünglich stahlen sie hier und dort etwas Essbares und spielten den Menschen Streiche.

Eine Auswahl isländischer Weihnachtsmänner von Dimmuborgir (Foto: www.visitmyvatn.is)
Eine Auswahl isländischer Weihnachtsmänner von Dimmuborgir (Foto: www.visitmyvatn.is)

Ihre Mutter ist die grausige Trollfrau Grýla und Leppalúði ihr Vater. Die beiden zogen ihre 13 Söhne am Myvatn-See auf und als sie alt genug waren, suchten sie sich einen eigenen Ort zum Wohnen und Dimmuborgir schien ihnen dafür perfekt zu sein.[1]

"Grýla" von Þrándur Þórarinsson
„Grýla“ von Þrándur Þórarinsson

Nichts wie weg von daheim, das kann ich gut verstehen. Denn mit ihrer Mutter Grýla zusammen zu wohnen ist kein Spaß. Die Riesin ist eine Schreckgestalt, die am liebsten unartige Kinder frisst und auch recht streng zu ihren eigenen 13 Jungs ist. Zu ihren Hausgenossen gehört auch Jólaköttur, die (ebenfalls riesige) Weihnachtskatze. Keine süße Facebook-Katze, sondern Jolaköttur verschlingt die faulen Leute, die bis zum Julfest nicht alle Wolle vom Herbst verarbeitet haben. Man sollte sich also von der ganzen Björk-Niedlichkeit der Isländer nicht täuschen lassen. Die fackeln nicht lange – das sieht man an ihren rauhen Bräuchen.

Die 13 Yule Lads kommen ab dem 12. Dezember aus den Bergen zu den Menschen hinunter in die Dörfer und Städte. Täglich kommt einer, bis am Aðfangadagskvöld (Anfangsabend, Heiliger Abend) dann alle zusammenhocken. Danach geht täglich wieder einer der Weihnachtsgesellen zurück, bis am þrettándan (dem 13. Weihnachtstag/Heilige Drei Könige, 6. Januar) alle wieder in den Bergen verschwunden sind.

Trolle kommen nur wenn es dunkel ist nach draußen, sonst werden sie zu Stein. Das ist im Dezember in Island aber nicht so ein Problem, schließlich scheint die Sonne dann sowieso nur so vier Stunden am Tag. Die Kinder hier legen an jedem der 13 Abende ihre Schuhe auf den Fenstersims, und hoffen, dass ihnen der Weihnachtsmann der an diesem Tag in die Stadt darf, etwas mitbringt. Aber Vorsicht! War man nicht wirklich artig, kann es sein, dass man in seinem Schuh nur eine alte Kartoffel findet.
(Quelle: www.inreykjavik.is)

Als pfiffiges Kind kann man jeden Weihnachtstroll mit einer bestimmten Leckerei oder Sache ködern, die man für ihn aufs Fensterbrett legt oder davor stellt. Schon die Namen der 13 Weihnachtstrolle verraten viel über ihre Eigenschaften, Vorlieben und Streiche. Garantiert kennen die Kinder die 13 auswändig. 😉

Die Weihnachtstrolle sind los!

Heute kommt also der erste jólasveinar! Hier findet ihr zu jedem der 13 isländischen Weihnachtsmänner eine kurzweilige Beschreibung bei Klick auf den Link:

12. Dezember    Stekkjarstaur – Schafschreck, auch Pferchpfahl genannt
13. Dezember    Giljagaur – Schaumschuft, auch Schluchtentölpel genannt
14. Dezember    StúfurKurzer, auch Knirps genannt
15. Dezember    Þvörusleikir – Löffellecker, auch Kochlöffelschlecker genannt
16. Dezember    Pottasleikir – Kesselkratzer, auch Topflecker genannt
17. Dezember    Askasleikir – Schüssellecker, auch Essnapflecker genannt
18. Dezember    Hurðaskellir – Türentreter, auch Türschläger genannt
19. Dezember    Skyrgámur – Skyrschlund, auch Skyrgierschlund genannt
20. Dezember    Bjúgnakrækir – Rauchwursträuber, auch Wurststibitzer genannt
21. Dezember    Gluggagægir – Fensterglotzer, auch Fenstergaffer genannt
22. Dezember    Gáttaþefur – Türschlitzschnüffler
23. Dezember    Ketkrókur – Keulenklauer, auch Fleischangler genannt
24. Dezember    Kertasníkir – Kerzenschnorrer

 

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Ich bin jetzt überrascht und leicht entsetzt, wie schnell ich von finsterem Metal zu trolligen Weihnachtsmännern gekommen bin…

Übrigens, ohne Philipp wüsste ich von all dem gar nix – daher ein DICKES DANKE! Bitte beachtet bei den Landschaftsbildern von Dimmuborgir das Urheberrecht von Philipp. Bei Interesse – kurze Anfrage über das Kontaktformular reicht!

Weitere Quellen: www.iceland.de, www.visitmyvatn.is

 

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  1. [1]Ich fand zum Wohnort unterschiedliche Angaben im Web. Andere Quellen besagen auch, dass die Söhne mit Grýla und Leppalúði im Berg in einer Trollhöhle wohnen. Bis ich es sicher weiß, finde ich Dimmuborgir als Wohnort der Jolasveinar besser. ;) Falls jemand verlässliche Quellen hat, bitte als Kommentar posten.

5 Kommentare zu „Die dunklen Burgen“

  1. Die 13 Yule Lads, Grýla, Leppalúði & Jólaköttur sind im direkten Vergleich zum Weihnachtsgoth eher harmlos.
    Also Shan Dark ich hoffe Du warst brav, sonst kommt er dich holen … 😉

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