Jenseits der Schallmauer

16.03.2012 Frankfurt Music-Hall Revival im Cocoon Club

Die 80er und frühen 90er zogen uns vergangenen Freitag nach Frankfurt. Dank Herrn ProtoVision!, der am 5.5.12 die Elektronische Nacht musikalisch mitgestalten wird, erfuhren wir von der Music-Hall Revival Party. Die Frankfurt Music-Hall? Bei den Älteren oder Rhein-Main-Stammbewohnern wird es sofort klingeln und Erinnerungen werden wach. Aber Zugereiste wie ich (noch dazu aus’m Osten! 😯 ) können nicht wissen, dass die Frankfurt Music-Hall von Mitte bis Ende der 80er die größte Diskothek in Europa war und wegweisende Künstler & Bands der elektronischen Musik dort ihre ersten Auftritte in Deutschland hatten, z.B. Propaganda, Anne Clark, DAF, Nitzer Ebb oder Camouflage. So vielfältig wie das Publikum – Punker, Waver, Banker – war damals auch die Musik: Wave, Electro, Dance, EBM, Pop, Rock und auch der „Sound of Frankfurt“ wurde in der Music-Hall geboren.

Mein Freund musste natürlich unbedingt dahin und ich wollte mir dieses Stück Zeitgeschichte auch nicht (ein zweites Mal) entgehen lassen. Es war die 3. Music-Hall-Revival-Party und dieses Mal fand sie in Sven Väth’s Cocoon Club in Frankfurt statt.

Cocoon Club von außen - mit Sven Väth als Sound-Terminator (?)

Den Cocoon Club wollte ich ja schon immer mal sehen! Man hört viel (Gutes) darüber. Sicher etwas Besonderes – immerhin hat sich Sven Väth damit verwirklicht. Jetzt hatten wir also die Gelegenheit, den Club auch mal mit passender Musik kennenzulernen. Ich wäre dort auch zu einem Techno-Event gegangen, musikalisch gar nicht das Problem – aber die Leute und Techno-Szene sind nicht mein Ding.

Der Cocoon Club befindet sich im größten Betonklotz der Carl-Benz-Straße in Frankfurt Fechenheim. Musikstrategisch gut im Industriegebiet gelegen. Ich hätte auch gedacht, dass hier die Parkplätze nur so auf der Straße liegen, aber es waren wohl bereits zu viele Gäste da, als wir 23 Uhr dort aufschlugen.

„Na das kann ja was werden!“, entfuhr es mir, als wir auf der Suche nach einem Parkplatz ungefähr 3x am Haupteingang vom Club vorbeifuhren und Massen an Leuten sahen. Alle entweder normal oder mega-chic. Ich wurde ruhiger, als ich auch ein paar EBMer erspähte. Der Eintritt kostete 15 Euronen im VVK und 18,- Euro an der Abendkasse. *schluck* Jetzt bloß nicht in DM umrechnen – darauf steht heutzutage die Höchststrafe der Erkenntnis.

X-Sterne-Restaurant "micro" hinter Leuchtstofffäden - das hatte noch mal einen eigenen Türsteher

Aber der Club ist wirklich der Hammer!!! Verglichen mit den „Alternativ-Löchern“, in denen ich sonst so verkehre, ist das ein absolutes Nobelding – auch preislich gesehen. Hier weißt du sofort, wofür du die ganze Woche arbeiten gehst. Ich bin an dem Abend für 3 Longdrinks – serviert in schwer kultigen Zellstruktur-Bechern – 30 Euro losgeworden. Leider hab ich nie gelernt, mich den ganzen Abend an einer Cola festzuhalten. Derartige Versäumnisse wurden jetzt bestraft, aber frau ist ja auch nicht ständig im Cocoon Club. Also was soll der Geiz – genießen und „guuude Laune“, würde Sven Väth jetzt sagen. Trotzdem: mir sind mal wieder die finanziellen Vorzüge unserer Subkultur bewusst geworden. Die höhere Preislage hilft aber auch, den Suffmob aus dem Club zu halten. Stattdessen lieber Schicki-Micki mit Sterne-Koch-Restaurants „silk“ und „micro“ im Cocoon und naja… ihr hättet die Toiletten sehen müssen! Auch todschickmodern. Obwohl der Cocoon Club ja Baujahr 2004 ist – die waren ihrer Zeit weit voraus, denn die installierte Handwasch-Keramik ist auf dem neuesten Stand (oder wird alle 2 Jahre erneuert, kann auch sein).

lights on the wall

Der Cocoon Club hat vom Design her was Außerterrestrisches. Eine Wand aus Zellgewebe (eine auseinandergezogene Lochstruktur wie bei einem Schweizer Käse) umschließt die riesige Tanzfläche und trennt diese von der umliegenden Loungezone. Diese Zellwand wird angestrahlt mit 3D-Lichteffekten aus 21 Beamern und zwar so, dass man denkt sie lebt, vibriert oder ist flüssig. Sehr coole optische Effekte.

Dieser Cocoon ist reserviert!

In der Wand befinden sich 13 Kokons, also Cocoons. Ausgeleuchtet und ausgestattet in apfelgrün. Das hört sich farblich erstmal schrecklich an, wirkt aber unglaublich gut. Diese Cocoons kann man entweder selbst erobern und darin sitzen bzw. liegen – oder man reserviert sie und erhält dort auch eine exklusive Bedienung. Als kleiner Gruftie kann man sich das aber alles nicht leisten, ist nur was für Geldmöps. 😛

Das Publikum an diesem Abend war eher auch etwas älter und größtenteils weniger schicki-micki – so wie wir, nur nicht so schwarz. Aber immerhin: wir entdeckten ein paar uns bekannte Leute aus der schwarzen Szene. Vielleicht zwei Handvoll hatten sich in den Techno-Tempel gewagt und hatten musikalisch ihren Spaß. Und in den Tanzverschnaufpausen schaute man sich einfach mal das ungewohnte Partypublikum an :-).

Schwarz (ich) trifft auf Apfelgrün (Cocoon)
Hai-Raumschiff als DJ-Kanzel

 

Die DJs predigten ihre Sounds von einer Art Raumschiff-Cockpit, das von der Seite betrachtet auch bisschen an einen Haifisch erinnert. Es ragt in die Tanzfläche hinein und ist eine geniale Konstruktion, wirklich! Angetreten waren an diesem Abend die Original-DJs der Frankfurt Music-Hall Ralf Holl & Bernhard Kunz – und es war genial!!! Sie spielten alles von früher – von Anne Clark, ABC, Boytronic, Depeche Mode, Moskwa TV, Frankie Goes to Hollywood, Logic System, The Art Of Noise, Off, Moby, Front 242, New Order, 16 Bit usw. Beim Radio Music-Hall Frankfurt könnt ihr reinhören in den Sound von damals. Das Beste war aber: kein Song kam so auf die Tanzfläche wie man ihn kennt. Alle waren vermixt, verändert, etwas verfremdet oder aufgetuned. Dadurch war es keine Sekunde langweilig, denn ehrlich gesagt hat man ja „Blue Monday“, „Sleeper in Metropolis“ oder „Boys don’t cry“ nun schon x-mal gehört. Aber so in-the-mix war es ein Ohrenschmaus. Das muss man den Tekkern lassen, die kennen sich aus mit Beats, Loops und Soundschraubereien. 80er Sound ganz nach meinem Geschmack!

Voll war's beim Frankfurt Music-Hall Revival - ich schätze mal 800 - 1.000 Gäste.
Die Tanzgirls waren im Eintrittspreis "mit drin", aber nur zum Ansehen 😉

Apropos Sound: Der war jetzt nicht so fett, wie ich erwartet hatte. Immerhin war das protzige Motto für die Music-Hall Revival Party „Nightlife jenseits der Schallmauer“. Da hatte ich gedanklich bereits die Ohrenstopsen im Anschlag. Aber ich kam sehr gut ohne sie aus. Vielleicht war das Absicht, dass man es mit der Lautstärke nicht so übertreiben wollte wie sonst bei Techno-Veranstaltungen. Allerdings war da anfänglich gar kein Bass und erst ziemlich spät wachte jemand auf und drehte den rein. Bis dahin musste man sich vor die Boxen stellen, um wirklich was vom propagierten Mega-Sound zu hören. Der eine meinte zu meinem Freund: „Ich musste mich nur mal hier (vor die Boxen) hinstellen, um zu hören, ob es den teuren Eintritt auch wirklich wert war.“ Allein die Soundanlage soll beim Cocoon-Bau 1 Mio. Euro verschlungen haben. Die groß angekündigte Lasershow war allerdings etwas dünne, aber nun ja. Deswegen war zumindest ich nicht gekommen. Die Musik stimmte und der Club war eine Wucht – Fazit: alles prima!

Schon oft erlebt in Frankfurt (und immer wieder unverständlich): um 3 Uhr war die Mehrheit der Leute gegangen. Vielleicht lag es auch am Freitag oder am Durchschnittsalter? Wir machten uns ca. 4 Uhr beseelt auf den Heimweg. Also ich kann nur sagen: wenn es musikalisch und finanziell für euch mal passt, dann unbedingt den Cocoon Club besuchen – er ist wirklich ein ganz besonderes Location-Erlebnis.

Vielleicht noch drei Worte zu Sven Väth. Ein DJ, der es zum Weltstar gebracht hat. Das ist schon erstaunlich! Er hat es geschafft, aus Liebe zur und mit dem richtigen Händchen für elektronische Sounds und weil er sich vollkommen auf das konzentriert hat, was er am besten kann: Entertainment und Musik. Ich denke, sein Erfolg kommt auch daher, weil er nie den Bezug zu den Menschen verloren hat. Finde ihn echt sympathisch, bewundernswert und nicht abgehoben.

Bekannt und unvergessen sind seine 80er-Hits „Electrica Salsa“ oder „Bad News“ mit seiner Band OFF. Zu dieser Zeit war Sven Väth ein New Romantic – entertaining & schräg – wie man hier im OFF-Video zu „Step by Step“ gut erkennen kann :-).

Sven Väth hasst Schubladendenken – hinsichtlich Menschen und Musikstilen. Brücken schlagen, Leute zusammenbringen, Neues entdecken, gegenseitige Toleranz schaffen – das sind seine Prinzipien. Denen er treu geblieben ist.

„Ich finde, das Wichtigste ist, dass man Gefühle auslebt. Dass man Sachen auslebt. Dann darf da auch kein Fragezeichen dahinterstehen, sondern ein Punkt. Das kann auch mal eine schlechte Erfahrung sein, ganz klar.“ (Sven Väth)

Dieser Abend war ganz klar eine gute Erfahrung – mal in einer ganz anderen Szene(rie). Über den schwarzen Tellerrand hinaus.

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7 Kommentare zu „Jenseits der Schallmauer“

  1. Das wäre so cooool, Shan 🙂 Du, das war bestimmt der DJ von damals, der hat jetzt immer noch ein „You can call me Pooooisooon!“ Trauma weg und wacht jede Nacht Alptraumgebeutelt und schweißgebadet auf. Har har har (hier Christopher Lees >evil laugh< vorstellen).

    Bei mir war das ein schleichender Übergang von Pikes zu Palladiums & Buffalos (oh wie schrecklich!), das kam mehr oder weniger über die EBM-/Industrial-Schiene und natürlich über den SoF. Aber dazu musste es unweigerlich kommen, wenn man sich in diesem elektrisch pulsierendem Bermuda-Dreieck bewegte. Da war man auf einmal http://www.youtube.com/watch?v=VcW2hVg62HE und verlor die Sinne im Trance der 90er (und das ganz ohne Drogen!). Ein paar atmosphärische Trance-Titel sind ja OK, ganz alte Sachen höre ich auch noch – superselten, aber einige CDs habe ich mir noch aus dieser Zeit erhalten, so wie das da: http://www.youtube.com/watch?v=4a6X9-nO6hY

    Ich denke, dass es ganz wichtig ist, über den Tellerrand herauszufallen, um sich musikalisch neu auszuprobieren – nur dann kann man sich zu den eigentlichen Wurzeln zurückbesinnen. Open your mind!

  2. In der Tat. Ich halte mich in letzter Zeit recht bedeckt. Doch es besteht Hoffnung, dass sich dieses wieder ändert.

    10 Millionen. Nun gut, das will erst einmal investiert sein und vor allem will das ja auch irgendwann wieder amortisiert sein.
    Man wird dem Club die Investition anmerken, durchaus. Und vielleicht würde mein Urteil auch anders aussehen, wenn ich zu den gehören würde, die zum Eintritt noch einmal so viel dem Türsteher als nett gemeintes Trinkgeld zustecken, ohne das verrechnen zu müssen. Wer weiß. Doch das andere Milieu ist zu sehr mit meiner Mentalität verwoben. Und so würde ich auch weiterhin dem Glanze die Rustikalität vorziehen.

    […]Wo Du das im Text liest, frage ich mich allerdings.[…]

    Dann habe ich das wohl aus jenen Worten überbewertet:

    […] und Massen an Leuten sahen. Alle entweder normal oder mega-chic. Ich wurde ruhiger, als ich auch ein paar EBMer erspähte. Der Eintritt kostete 15 Euronen im VVK und 18,- Euro an der Abendkasse. […]

    Wer eben mal 18Euro an der Abendkasse für einen Club lässt und in Deinen Ausführungen als »mega-chic« eingestuft worden war, den brandmarkte meine Assoziation mit dem Prädikat: überbezahlt und Schickeria.

    […] Ich bin gespannt auf Deinen Erfahrungsbericht vom Tekker-Club, befürchte aber, ich weiß schon, worauf Dein Fazit hinausläuft. […]

    Im Grunde könnte ich meinen Bericht auch schon jetzt und in einem Satz offenbaren: Ihr behaltet mit Euren Vermutungen gegenüber meiner Worte Recht.
    Doch mal schauen. Ein Versuchsobjekt für jene Feldstudie wurde immerhin schon auserkoren:

    http://www.youtube.com/watch?v=uDyereNgeH0&feature=related

    Also rein in den Hades der Unterhaltung. Denn mit dem edlen wie gehobenen Niveau eines Cocoon hat das nichts mehr zu tun.

    Post scriptum: Recht interessant sehen Clubs aus, wenn diese geschlossen haben. Wenn sämtliche Atmosphäre erlosch und die Räume im allzu schmucklosen Lampenlicht ausgeleuchtet werden. Gelegentlich glaubt man dabei an den Sprung in eine Parallelwelten.

  3. Hach, hach, hach… ich fühle mich angesprochen – yes, bei den „Älteren“ hat´s geklingelt! Bißchen neidisch bin ich ja jetzt schon, dass ich das Music Hall Revival verpasst habe. Klingt nach einer tollen Nacht, die ihr da hattet. Sowas erfährt man ja erst immer hinterher!

    Der Cocoon Club ist von der Aufmachung her echt clean, echt cool, das hat schon was – aber das Technogedönse geht bei mir seit Ende der 90er nicht mehr. Wahrscheinlich hatte ich einfach irgendwann eine Overdosis zuviel Bum-Bum-Bum. Stimmt, die Clubpreise sind ohne Ende gesalzen, aber ich hatte das Gück, im micro ohne Bezahlung speisen zu dürfen und auch sonst hat´s nix gekostet (da Jobevent!) 😀

    Jaja, den Sven hatte ich damals in seiner Anfangszeit im Omen kennengelernt (damals war er Miteigentümer), wo ich mich immer wieder mal rumgetrieben habe. Die Music Hall ist mir auch allerbestens bekannt, die hatten richtig schöne – man kann schon sagen familiäre – Konzerte. Da habe ich manchmal auch Konzerte besucht, die mich eigentlich gar nicht interesierten, wie auch „Ace of Base“ – was so ziemlich das letzte für mich dort gewesen sein dürfte. Aber mein persönliches Highlight waren auf jeden Fall Die Ärzte! Für damalige Verhältnisse war die Soundanlage und die Laserhow der Hammer – es gab megagroße Boxen! Einmal, weiß ich noch, habe ich mir immer wieder hintereinander Poison / weathermen beim DJ gewünscht – bis der mir ´nen Vogel zeigte und genervt gefragt hat, ob ich denn keinen anderen Song kenne *chrrrr*

    Ich fand´s damals unendlich schade, dass nacheinander das Gray, das Omen und dann auch die Hall dichtgemacht hatten. Hängen doch ganz viele Erinnerungen daran! Danke dir übrigens für die gedankliche Zeitreise, die du mit diesem Beitrag bei mir ausgelöst hast 😉

    PS: Bei Step by Step und Electrica Salsa sind wir (Alt-)Waver immer auf die Tanzfläche! Das waren noch Zeiten!

    1. Tja, ich glaube, man muss diese Gray-/Omen-/Music-Hall-Zeit damals und die Entstehung des „Sound of Frankfurt“ wirklich selbst miterlebt haben ODER einer permanenten, charmant-persönlichen Beeinflussung unterliegen, um das alles nachvollziehen zu können und auch toll zu finden. Außerdem schadet etwas Open-Mindedness in musikalischer Hinsicht nicht.

      Liebe Mel, ich sage Dir auf jeden Fall bescheid, falls ich nächstes Jahr von dem Revival-Event erfahre. Wäre garantiert voll Dein Ding gewesen – und die haben sogar ganz von alleine 2x an dem Abend „Poison“ gespielt. Hatten sich wohl net richtig abgestimmt – oder es hat sich später noch mal jemand gewünscht 😉 (hattest Du Deine Vertretung geschickt?). Musik war jedenfalls den ganzen Abend bis auf wenige Ausnahmen seeeehr cool und oldschool. Da hätte ich aber auch vorher drauf kommen können, dass wir uns dort hätten treffen könnten, ich Drops! Aber ist vorgemerkt. Muss man auch mal sehen, in welchem Club das 2013 sein wird – bisher war es ja immer ein anderer. Aber es hat mich schon gereizt, den Cocoon mal zu sehen – noch mal muss ich es aber auch nicht unbedingt haben.

      @Guldhan: Long time no read – auch wenn das nicht so gut bzw. nur halb so nicht-übersetzt ist wie „Nightlife jenseits der SChallmauer“… schön, Dich hier mal wieder zu lesen, soll das heißen!
      Es besteht jedenfalls keine Gefahr meiner Abwanderung in derartige Szene-Luxus-Schuppen, denn auch ich präferiere ganz klar die Kleinclubatmosphäre. Die Bezeichnung ‚Alternativ-Löcher‘ war durchaus liebevoll gemeint. 😛 Fühle mich dort definitiv auch wohler als im Cocoon, wo es eben doch eher kühl, ungruftig und steril ist. ABER optisch durchaus faszinierende Überraschungen hatte.

      Gelegentlich durchstöbere ich youtube und erblicke derartige Szeneschuppen aus meinem Umfeld. Doch wenn ich diese Gestalten dort sehe, dieses Gehabe und die Musik erlebe. Ganz ehrlich, dann beginne ich manchmal richtig die Cyber zu mögen. Die zappeln wenigstens nur herum und halten sich sonst bedeckt.
      Zum einen lässt sich der Cocoon Club garantiert nicht mit anderen, derartigen Szeneschuppen vergleichen. Das kann ich mir nicht vorstellen – auch wenn ich natürlich noch keinen derartigen Szenelokal-Test gemacht habe oder Derartiges plane. Aber 10 Mio. werden wohl nur die wenigsten für solch ein Etablissement ausgegeben haben – und um das wieder reinzukriegen braucht es wohl die Schickeria einer Großstadt wie Frankfurt, eine gewisse musikalische Geschichte und Verwurzlung hier am Standort und einen DJ wie Sven Väth, der auch in der Lage ist, nur mit seinem Namen (internationale) Massen anzuziehen (und noch dazu auch welche, die die Kohle haben). Was Gestalten, Gehabe und Musik angeht, gebe ich Dir nicht nur bei Techno-Rave-House-Veranstaltungen recht, sondern auch bei den Cybern. Dass die sich bedeckt halten muss auch nicht unbedingt der Fall sein. Und letztendlich hat wohl auch jede Szene ihr eigenes „Gehabe“, was auf Außenstehende affig wirken kann. Auch ‚wir‘ vermutlich.

      Denn schon alleine der Gedanke, einen Abend mit der Schickeria, bestehend aus scheinbar überbezahlten Mega-Chicsen, verbringen zu müssen, erfüllt mich nicht wirklich mit Freude.
      Wo Du das im Text liest, frage ich mich allerdings. Oder ist es eher das, was Du Dir vorstellst? Vom Publikum waren es aufgrund des Revivals eher „normale“ und kaum schicki-micki-Leute so zwischen 30-50. Ja, manche Mädels waren mega-schick, aber Chicsen habe ich nur ganz wenige gesehen. Falls Du die Animier-Tanzdohlen meinst…nun, die hätte es nicht gebraucht, die Leute waren auch so gut drauf und haben getanzt. Aber derer gab es auch nur vier – die sich übrigens nur aufs lasziv tanzen verstanden und ständig da oben in ihrem Rondellkäfig aus dem Rhythmus gerieten bzw. noch nicht mal hineinkamen. Also man konnte da mal hinschauen, was „abschauen“ aber eher nicht. 🙂

      Ich bin gespannt auf Deinen Erfahrungsbericht vom Tekker-Club, befürchte aber, ich weiß schon, worauf Dein Fazit hinausläuft. Mein Fazit hat mich selbst überrascht, bin da aber auch ziemlich vorbehaltlos hineingegangen. Merke: Wer weniger erwartet, ist leichter zufrieden zu stellen.

      @Celina: Das, was Sven Väth heute so auflegt mag ich auch nicht – ist mir im Gegensatz zu seinen früheren Sachen viel zu langweilig. Mit den Hotbuttons haste vllt. sogar recht :-). Leider war die Nebelsprühanlage an diesem Abend nicht an – eventuell war die Stimmung bei den kühlen 80ern nicht aufgeheizt genug für einen Einsatz…

  4. Interessanter Artikel zur Völkerverständigung.

    Doch ich bräuchte für solch ein Experiment weit mehr Anreiz sowie Überwindung. Denn schon alleine der Gedanke, einen Abend mit der Schickeria, bestehend aus scheinbar überbezahlten Mega-Chicsen, verbringen zu müssen, erfüllt mich nicht wirklich mit Freude. Zudem verhält sich meine Stimmung auch antiproportional zur Menge an Tekkern pro qm.
    Davon einmal abgesehen dass bei 18€ Eintritt mein Grinsen schockgefrostet worden und ich abrupt wieder in Richtung Heimat aufgebrochen wäre.
    Natürlich kenne ich so manche, die gut und gerne 50€ in einen Abend investieren. Doch ganz ehrlich, ich wüsste anderes, das ich mit ca. einem Drittel meines durchschnittlichen Monatshonorars anstellen wollte.

    Mag sein, dass die Lokalität aus einigen Blickfängern besteht. Aber ich will dort ja nicht einziehen, allerhöchstens übernachten. Ein guter Club ist der, bei dem ich nicht genötigt werde, mehr als die Tanzfläche und die Toiletten, und den Weg dazwischen, wahrzunehmen. Und bei dem mich die Innendekoration nicht -der Höchststrafe der Erkenntnis zum Trotz- umgerechnet das kostet, was ich früher für Festivals gelegt hatte.

    Gelegentlich durchstöbere ich youtube und erblicke derartige Szeneschuppen aus meinem Umfeld. Doch wenn ich diese Gestalten dort sehe, dieses Gehabe und die Musik erlebe. Ganz ehrlich, dann beginne ich manchmal richtig die Cyber zu mögen. Die zappeln wenigstens nur herum und halten sich sonst bedeckt.
    Das ist nicht meine Welt. War es nie und wird es auch nie sein. Ich mag die Kleinclubatmosphäre. Die Schrammen, Kanten und Ecken, das kultivierte Provisorium, den spürbaren Untergrund. Ich will mich dort wohlfühlen können, auch einmal die Stiefel auf die Tischplatte legen und nicht Angst haben müssen, dass mein Schlüsselbund das teure Mobiliar zerkratzt. Ober ich beim anlehnen an die Wand die selbige beschmutze.
    Ich brauche kein Chrome-Klo. Solange ich nicht zur Pinkelrinne waten muss, das ganze mehr einer Lost-Places-Erkundung gleicht oder irgendwelches Getier um die Treter huscht, ist es gut genug. Wobei ich durchaus verstehe, dass Mädels dieses Thema anders sehen.

    Aber nichts desto trotz, scheint sich der Knabe Väth bei seinem Club Mühe geben zu haben. Auch wenn ich dessen Schaffen im Allgemeinen nicht ernst nehmen kann. Weder sein Love-Parade-Gehabe, noch sein Minimal-plastik-gedudel, noch sein frühster Ausrutscher in die EBM-Geräusche, noch sonst irgendetwas. Aber das ist Geschmackssache.
    Und wem es gefällt, der wird dort einen imposanten Abend verbringen können. Mit Club und Catering. Eine nette Kombination…erlebte ich, glaube ich, erstmals in der Matrix in Bochum.

    Doch mal schauen, in einem allzu destruktiven und selbstzerstörerischen Moment werde ich einer jüngsten Einladung folgen und mich für einen Abend in einen Tekker-Club der Reinkultur mischen.
    Soviel schlimmes kann dabei ja nicht passieren. Allerhöchstens werde ich mich aufgrund der musikalischen Darbietung auf die Theke erbrechen, doch das kann mir auch in Szeneclubs passieren. Ansonsten könnte ich mich höchstens noch wie Schopenhauer zwischen einem Rudel BILD-Leser fühlen oder ich werde von den dort anwesenden Stino-Proll-Männchen für einen Verirrten der treudeutschen Kameradschaft gehalten und wieder herausgeprügelt. Oder ich erblicke dort einige Gestalten, bei denen ich denke muss: »Verdammt, Süße, falsche Szene«
    Alles in allem wäre es doch einmal den »Spaß« wert. Mal schauen…und über diese absonderliche Erfahrung werde auch ich Bericht erstatten. Zumindest, sobald ich dann wieder klar denken kann.

    Post scriptum:

    „Nightlife jenseits der Schallmauer“ …war man mit der konsequenten Übersetzung des »jenseits der Schallmauer« überfordert oder klingt »Nachtleben« neuerdings zu unhipp und assoziiert nur noch Omas zahnloses Schmatzen im Schlafe.

  5. Da drin war ich auch mal. Es war zwar Eintritt frei (weil irgendwie Specialtag war oder sowas), aber ich hätte auch keine 15 Euro oder was das damals kostete bezahlt. Es „spielte“ Sven Väth, was irgendwie so gar nicht mein Ding war. 4 Stunden nur der selbe Beat und zwischendurch mal ein bisschen Frauengestöhne oder Trompeten oder sonst was… als hätte er da so HotButtons gehabt, wo er zwischendurch mal drauf drückte. Der Club ist schön gemacht, aber das wars auch schon… nicht mein Ding. Nur diese komischen Nebelsprühdinger waren cool… war immer so erfrischend, wenn die auf mich losschossen…

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