Brooklyn in Frankfurt

Light Asylum live in Frankfurt 08.06.2012

Ach, ihr Frankfurter! Da landet Grace Jones’ kleine Punk-Schwester aus Brooklyn direkt neben der Zeil und wo seid ihr? Griechisch-polnische Eröffnungsspiele lasse ich nicht gelten, denn Fußball haben wir in den nächsten Wochen noch genug – wird befürchtet. Jedenfalls haben alle Freunde des schwarz-elektronischen Untergrunds etwas verpasst! Nämlich eine wunderbare Synthie Jam Session und eine ähnlich markante Stimme wie Grace Jones: Light Asylum.

Aber zugegeben hatte ich auch erst 4 Tage vor dem Konzert davon erfahren. Ich traf noch circa eine Handvoll liebe Bekannte ‚aus der Szene’ vor Ort, aber insgesamt war das „Zoom“ (Ex-Sinkkasten) sehr überschaubar gefüllt. Gut, eine große Promo-Maschinerie kann sich die Band aus New York (Brooklyn) nicht leisten. Light Asylum sind in Deutschland wirklich noch Untergrund – vielleicht nur in Berlin ein bisschen bekannter. Immerhin haben sie dort im angesagten „Berghain“ gespielt. Sängerin Shannon Funchess (aka „Light Asylum“) und Bruno Coviello (aka „Brother Bruno“) sind extra vergangenen Sommer für ein paar Monate nach Berlin gezogen, um von diesseits des Atlantiks ein paar Bookings für Konzerte in DE/EU zu bekommen – und um etwas kreativen Berliner Spirit für ihr Debutalbum mitzunehmen.

Ich kannte bis gestern das Anfang Mai erschienene Debütalbum „Light Asylum“ noch nicht, sondern nur ihre 2011er EP „In Tension“. Das Beste der 5 Stücke darauf ist aus meiner Sicht „Dark Allies“. Ein kleiner Underground-Hit, der hier im Rhein-Main-Gebiet des öfteren in den Goth Diskotheken läuft. Weshalb nicht nur ich auch mehr Publikum aus schwarzen Gefilden erwartet hatte.

Hier die Live-Ausgabe von „Dark Allies“ – in 4:10 min geht sie SO RICHTIG ab!

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Live geben Light Asylum gleich zu Beginn Druck auf die Sounds. Ich stolpere schnell vor die Bühne und bin erstmal überrascht, wie klein die Sängerin ist. Vor allem so im Vergleich zu Grace Jones :-). Aber macht nichts, denn ihre Bühnenpräsenz ist ganz groß. Von den Klamotten her ein Wave, vom Aussehen her Black-Punk mit Tattoos bis unter die Schlüsselbeine.

Shannon shoutet ins Mikro wie es sonst nur Douglas McCarthy von Nitzer Ebb kann. Ihre Stimme ist wirklich eine Wucht – tätsächlich ähnlich voluminös und „männlich“ wie die von Grace Jones, aber bissiger, rotziger, dreckiger. Sie wirkt rebellisch und fordernd. Doch sie kann nicht nur shouten, sondern gleitet auch durch sanftere Tonlagen – bei einem Stück klang die Stimme sogar mal weiblich. In seltenen Momenten (im Video genau hinsehen!) erhasche ich ein flüchtiges Lächeln. Die Miss Funchess hat live viel Spaß – sie lässt alles raus, was drin ist. Dazu wird ab und zu mit den Armen gerudert, über die Bühne gepoged, zackiger Riot-Kick nach vorn gemacht und um sich selbst getanzt. Aber nichts wirkt gestelzt oder geplant. Sie ist einfach sie selbst und gut drauf an dem Abend – trotz der noch nicht mal 100 anwesenden Gäste. Die auch ‚frankfurt-like’ eher etwas verhaltener sind, auch wenn Light Asylum eigentlich verdient hätten, dass die Hütte kocht und tanzt.

Fakt ist: Mit so einem Energiebündel als Frontfrau und dieser Stimme ist jedes Konzert ein Genuss. Dazu trägt natürlich auch der stillere ‚Brother Bruno’ Coviello mit seinen wavigen Synthie-Sounds bei. Seine Beats und Analog-Schraubereien sind genauso kraftvoll und abwechslungsreich wie Shannons Stimme. Auch wenn sie manchmal fast ein bisschen Mühe haben mitzuhalten.

Die Stücke wechseln sich in Art und Tempo ab, kein Gleichklang oder Minimal-Gedudel.  Es fließt von der Bühne direkt in mein Hirn. Das ruppige „Rope will roll“ (Video unten) gefällt mir vom ersten Ton an und erinnert musikalisch sogar etwas an Chicago House. Light Asylum improvisieren auch. Mal dreht sich Shannon selbst etwas Hall in ihren Gesang oder tanzt an den Synthies von Bruno vorbei und drückt irgendwelche Knöpfchen. Synthie Jam Session trifft es schon gut – die beiden haben es wirklich drauf!

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Nach vielleicht 9 Stücken ist das Konzert irgendwie viel zu schnell vorbei – wie ich erfahre spielt danach noch eine Band um 23 Uhr und Light Asylum dürfen nicht länger. Ach, wie schade!

Leider war ich gestern nicht so flüssig unterwegs, so dass ich mir keine CD/LP am schnell nach dem Konzert hochgezogenen Merchandise-Stand holte. Dort verkaufen die beiden Musiker selbst, kritzeln Autogramme auf die neue Platte und schwatzen mit den Leuten. Voll sympathisch. Shannon hat übrigens nicht nur beim Singen so eine Stimme…

Light Asylum sind Untergrund und noch klingen sie auch so. Aber so gut wie sie sind, werden sie schnell bekannter werden – was natürlich jedem Künstler zu wünschen ist. Ich hoffe, dass sie sich ihren kompromisslosen und experimentellen Sound bewahren und nicht in gefällige, massenkompatible Melodien abgleiten. Ich werde das mal beobachten 😯 . Jedenfalls kann ich nur empfehlen, Light Asylum unbedingt live zu sehen. Heute abend spielen sie leider schon ihr letztes von vier Konzerten in Deutschland, in München, und ziehen danach weiter nach Italien, Frankreich, Belgien (Light Asylum on Tour 2012).

Daher meine Bitte an alle Clubinhaber, Party- und Festival-Veranstalter in Deutschland: holt euch diese Band auf die Bühne(n)! I wanna see them again.

 

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4 Kommentare zu „Brooklyn in Frankfurt“

  1. Und ich dachte, ich wäre eine aussterbende Spezies, die so was noch gut findet. Nun ja, ländliche Einöde fernab jeglicher Kultur hat schon auch Nachteile. 😉
    Allerdings muss ich meinem Vorredner zustimmen. Mit dem Album „Light Asylum“ tue ich mich auch sehr schwer. Um nicht zu sagen, dass ich schon ziemlich enttäuscht bin. Bei der „In Tension“ EP war ich komplett aus dem Häuschen, gerade wegen „Skull Fuct“ und „Dark Allies“.
    Da ich der Generation Vinyl entstamme, beschäftige ich mich durchaus noch mit dem manchmal mühseligen Durchhören der Stücke von Anfang an. Aber ich sehe bei dem Album keine wirklichen Höhepunkte für mich. Vielleicht liegt es daran, dass jetzt mehr der Fokus auf dem Gesang liegt und weniger auf eingängige Sound. Natürlich ist die Stimme schon beeindruckend, selbst für mich. Aber grundsätzlich bin ich kein großer Anhänger von „Stimmenmusik“, sondern bevorzuge eigentlich nur noch verschachtelte Soundtüfteleien. Von daher kriege ich da wohl keinen Zugang zum Album.

    Aber das ist ja nun mal Geschmackssache. Hätte ich erst „Light Asylum“ und dann die „InTension“ gehört, würde ich womöglich anders denken.

    Wenn übrigens noch jemand Bands kennt, die noch ähnlich alte Analogsounds bevorzugen wie Light Asylum, wäre ich für weitere Tipps ausgesprochen dankbar.
    Wie gesagt, kulturell ist hier vor Ort noch frühestes Hadaikum. Ich kann nur mit solchen Ungestalten dienen:

    http://www.goettlich.com/dorfer/

    Die spielen hier am Samstag quasi vor der Haustür. 🙂

  2. „Kein Gleichklang“ – genau das ist es!
    Das Album ist absolut genial, wird aber von vielen Leuten, die nur den „Hit“ dark allies hören wollen, ignoriert. Dabei ist dieser Song zwar gut und eingängig, aber musikalisch weit platter als die Songs des Albums, die eine doch recht große Bandbreite zeigen. Und „eingängig“ kann man ja auch als negatives Kriterium hernehmen, zumindest wenn es darum geht, daß Leute sich auch mit der Musik beschäftigen und nicht einfach nur deren Tanzbarkeit abzufeiern.
    Deswegen freut es mich das es Dir gefällt.
    Kleiner Wermutstropfen für mich: München/Frankfurt/Berlin/Hamburg … kann man nicht wirklich als Deutschlandtour bezeichnen, ist aber ja gang und gebe mittlerweile. 🙁

    1. Manche Stücke von Light Asylum (Skull Fuct von der EP z.B.) erschließen sich tatsächlich erst nach mehrmaligem Hören, aber das sehe ich wie Du nicht negativ. Sondern wirklich der Mix macht’s. Ich denke, es braucht je Album/Band immer 1-2 Stücke, die sofort reingehen und mit dem Rest eines Albums muss man sich auseinandersetzen. Wie bei einer guten, alten Skinny-Platte – das ist es ja auch so, z.T. wirklich harte Arbeit ;-). Viele nehmen sich aber heutzutage die Zeit dafür nicht mehr. Diese Veränderung beobachte ich mehr und mehr – man holt sich die einzelnen Hits und kennt meist noch nicht mal den Namen des Albums.

      Tjaha, eine Deutschland-Tour sind die vier großen Städte wirklich nicht. Aber wenn ich dann sehe, dass wie in FFM nur 100 Leute kommen… vielleicht ist der Zeitpunkt aber auch schlecht gewählt – so parallel zur EM. Und das Album muss sich halt erstmal verkaufen, damit die sich hier für DE/EU auch eine aktive Booking-Agentur leisten können, die dann auch mehr Auftritte und in kleineren, vielleicht auch „dankbareren“ Städten buchen. Ich kenne mich da mit dem Business nicht so aus, aber ich glaube, das ist heute wie früher hart, wenn auch anders.

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