Mörderische Geschäfte

Der 28. Januar des Jahres 1829 war ein eiskalter Tag in Edinburgh. Aber schon in den Morgenstunden war die halbe Stadt auf den Beinen und beeilte sich zum Lawnmarket Square zu kommen. Nicht wenige hatten es sich sogar einige Shilling kosten lassen, um von einem der Häuser nahe des Platzes einen guten Blick zu haben auf ein Schauspiel, dass sie sich nicht entgehen lassen wollten. Denn heute sollte William Burke sterben. Und es gab kaum einen, der dies nicht gut hieß. Am Platz herrschte ein lautstarkes Stimmengewirr. Viele machten ihrer Empörung Luft und schrien lauthals Flüche, die immer wieder bei anderen Zuschauern Zustimmung hervor riefen. Um die Tribüne, auf der der Galgen errichtet worden war, war das Gedränge besonders groß. Da gab es welche, die faules Obst und sogar Steine mitgebracht hatten, um damit dem Delinquenten ein letztes Mal zu zeigen, was sie von ihm hielten. Man wollte endlich sehen, wie er starb – der Mörder und Leichenschänder Burke.

Menschenauflauf bei der Hinrichtung von William Burke am 28. Januar 1829

 

Als es soweit war und einige Beamten mit dem Mann erschienen, schwoll das Geschrei an. Ein Wirt aus einem naheliegenden Pub reichte ihm noch den traditionellen ‚Last drop‘; einen Becher mit Branntwein [1] und dann stiegen sie mit dem Delinquenten auf das Gerüst. Burke brandete die Wut der Zuschauer entgegen und erst als der Henker an ihn herantrat, beruhigte sich die Menge. Burke selbst war relativ gefasst. Niemand musste ihn stützen, als ihm die Schlinge um den Hals gelegt wurde. Der Henker positionierte ihn fachgerecht und wartete auf das Zeichen der Obrigkeit. Der Geistliche trat noch einmal kurz an ihn heran und dann wurde es still ringsum. Es ging rasch. Ein kurzer Stoß des Henkers und Burke fiel. Der Stille folgte ein riesiger Aufschrei des Publikums. Applaus brandete auf. Es soll Leute gegeben haben, die später erzählten, sie hätten genau gehört, wie das Genick dieses Monsters brach und einige prahlten, sogar gesehen zu haben, wie seine Seele in die tiefste Hölle sauste.

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Es war eine gelungene Hinrichtung. Burke war sofort tot; der Scharfrichter hatte die Fallhöhe richtig berechnet. Es hatte ihm nicht den Kopf abgerissen und er wurde auch nicht qualvoll erdrosselt. Während Beamte und der Henker die Tribüne verließen, trafen den Toten immer wieder Wurfgeschosse. Der Hass und die Abscheu der Edinburgher war scheinbar grenzenlos, auch wenn sich nun so etwas wie Genugtuung dazu mischte. Trotzdem – noch immer war die Empörung groß. Empörung, dass es nur Burke war, der hier seine gerechte Strafe bekommen hatte. Unverständnis über die Entscheidung des Staatsanwaltes, der dem Mittäter Straffreiheit zugesichert hatte, wenn er gestehen würde. Unverständnis aber auch, dass der Richter den Mediziner und Anatom Prof. Robert Knox, der mit den beiden Tätern zusammengearbeitet hatte, nicht zur Verantwortung gezogen hatte.

Tage danach war in der ehrwürdigen ‚Times‘ zu lesen:

„…Als sich die Beifallsrufe gesenkt hatten, wurde der elende Mann mit jedem Ausdruck der Verachtung und Abscheus angegriffen,“ und weiter: “ Kein einziger Hinweis des Mitleides war unter der riesengroßen Menge merklich – im Gegenteil trug jeder einen erfreuten Gesichtsausdruck.“

William Burke, Schuster, 17facher Mörder und Leichenschänder. Der gebürtige Ire hatte seine Frau und seine zwei Kinder zurückgelassen und war nach England gekommen, um hier Arbeit zu finden. Er versuchte sich in einer Reihe von Berufen, legte sich dann eine Geliebte  zu und quartierte sich in der Pension des William Hare und dessen Frau als Dauermieter ein. Als ein älterer Mieter 1827 in der Pension verstarb, schuldete er Hare noch 4 Pfund Miete. Hare machte Burke den Vorschlag, das Geld ’nachträglich‘ zu kassieren. Die beiden holten die Leiche aus dem Sarg, füllten ihn mit Holzspänen und Burke klapperte die möglichen Abnehmer für eine Leiche ab.

Die Nachfrage nach Leichen war groß in jener Zeit und Edinburgh war eines der Zentren der medizinischen Forschung und der Anatomie. Professoren, die Anatomie lehrten, konkurrierten regelrecht untereinander.

Dr. Robert Knox – der Arzt, dem die Leichenräuber vertrauen

Einer von ihnen, Dr. Robert Knox, galt als kommender Star unter den Anatomen. Ein ehrgeiziger Professor, der in London studiert hatte, seine Praxis als Feldchirurg beim Militär erwarb und nun in Edinburgh Karriere machen wollte. Dazu brauchte man aber… Leichen. Denn die Popularität und Nachfrage von Studenten hing auch davon ab, welcher Professor die Anatomievorlesungen mit entsprechendem  ‚Übungsmaterial‘ veranstaltete. Die Studenten mussten üben. Und das ging und geht noch immer nur an Leichen. Anfang des 19. Jahrhunderts gab es große Probleme, eine ausreichende Zahl an Toten für Studienzwecke zu erhalten. Häufig wurden die Körper von Hingerichteten für Anatomiestudien zur Verfügung gestellt. In Zeiten, in denen man für einen Einbruch oder Betrug zum Tode verurteilt werden konnte, herrschte kein Mangel an Studienobjekten für die Anatomen. Aber nach einer Gesetzesänderung im vereinigten Königreich 1823 wurden nur mehr Gewaltverbrechen mit dem Tod bestraft. Dies erzeugte einen permanenten Engpass, denn der jährliche Bedarf an Leichen lag in Universitäten wie London oder Edinburgh zwischen 500 – 1000 Stück. Und so fragten die Professoren nicht lange, wenn ihnen ein Leichnam angeboten wurde. Und – sie bezahlten gut.

So war Burke hoch erfreut, als ihm Knox ganze 7 Pfund für den Verstorbenen zahlte. Das war eine Menge Geld für die damalige Zeit. 7 Pfund entsprachen etwa zwei, drei Monatsgehältern eines Handwerkers. So stiegen Hare und Burke in das makabere ‚Gewerbe‘ jener Zeit ein – sie wurden ‚Resurrection Men‘ [2].

Resurrection Men bei der Arbeit

Der Leichenraub war einträglich – und – relativ risikolos. Abgesehen von der Infektionsgefahr und eventuell der Rache von Hinterbliebenen drohte nicht allzu viel Ungemach. Das Gesetz bestrafte die Tat relativ milde. Wurde ein Leichenräuber erwischt, mußte er im schlimmsten Fall mit einer mehrmonatigen Gefängnisstrafe rechnen. Andererseits waren aber die Verdienstmöglichkeiten überaus gut. Denn neben den Anatomen hatten auch Andere Interesse an dieser ‚Ware‘ der besonderen Art.

Da waren die Perückenmacher, die besonders an langem Frauenhaar interessiert waren. Die ‚Resurrection Men‘ skalpierten den Toten und verkauften das Haar samt Kopfhaut. Auch Zahnärzte zählten zu ihren Kunden. Für sie brachen sie die Zähne aus den Leichen. Besonders junge, wenig abgenützte und komplette Sätze von Zähnen waren gefragt. Und zu guter Letzt wurde auch noch – falls vorhanden – die Kleidung der Verstorbenen verkauft. Die meist von Erde beschmutzte Kleidung wurde einfach gewaschen und wurde oftmals schon Tage danach in einer der zahlreichen Altwarenläden der Stadt angeboten.

So verschwanden Anfang des 19. Jahrhunderts immer wieder Leichen aus Aufbahrungshallen, Armenhäusern, Spitälern und Friedhöfen. Besonders begehrt waren Körper, wenn sie noch möglichst ‚frisch‘ waren. Solche Leichen konnten bis zu 15 Pfund einbringen. Wollte man gutes Geld verdienen, musste man schnell sein.

Unter den ‚Resurrection Men‘ gab es regelrecht Spezialisten. Es gab welche, die nur gelegentlich diesem makaberen Gewerbe nachgingen, andere die sich als Lieferanten für die Anatomie sahen und auch welche, denen das Alter der Leichen nicht so wichtig war. Sie verkauften zumeist nur Zähne und Kopfhaare. Die schon verwesenden Leichen zogen sie mit eisernen Haken, die sie in die Nasenlöcher des Toten hakten, aus dem Grab.

Mortsafes auf dem Cluny kirkyard in Aberdeenshire Schottland (Foto: Martyn Gorman, Wikimedia Commons)

 

All das war für die bürgerliche Bevölkerung ein wahrer Albtraum. Sie versuchten ihre Hinterbliebenen zu schützen, sofern sie die Mittel hatten. Im National Museum of Scotland sind heute noch einige der Gerätschaften zu sehen, die sich Edinburghs Bürger dafür ausdachten. Eiserne Kästen, sog. Mortsafes, die über den Sarg gestülpt wurden und die man mit Eisenankern im Boden sicherte. Gitter aus Bandeisen die über dem Sarg montiert wurden oder – die günstigste Variante – eine eiserne Halskrause, die man dem Toten um den Hals schmiedete und mit einer Kette in der Erde befestigte. Eingezäunte Gräber auf den alten Friedhöfen sind auch heute noch zu sehen, ebenso wie einige der alten Wachtürme. Ander Lothian Road zum Beispiel; am Rande des alten St. Cuthbert Cemetery. Wenn es dunkel wurde, bezogen Wächter ihre Posten und verschafften so den Toten ihre Ruhe, wenn – ja, wenn sie nicht gerade mit den Dieben gemeinsame Sache machten oder selbst mit Leichen handelten.

Edinburgh, The New Calton Graveyard Watch Tower (Foto: Martyn Gorman, Wikimedia Commons)

 

Für William Burke und William Hare war das nichts. Die Saison für die Grabräuberei – üblichwerweise die kälteren Monate eines Jahres, also von Oktober bis April – war bald vorbei und da in Hare’s Pension ein älterer Mieter krank wurde, reifte die Idee, der Sache doch etwas nachzuhelfen. Im Geständnis, das Hare nach seiner Verhaftung machte, schilderte er genau, wie sie vorgingen. Er ergriff den Mann von hinten und bog ihm die Hände auf den Rücken. Burke sprang dann nach vorn, fuhr dem Opfer mit zwei Fingern in die Nase und presste die andere Hand auf den Mund. Lange hatten sie darüber nachgedacht, wie sie töten sollten. Die Opfer durften keine Spuren einer Gewaltanwendung aufweisen, da sie ansonsten nicht zu verkaufen gewesen wären. Diese Art zu töten sollte ihr Markenzeichen werden. Noch heute bezeichnen Kriminalisten diese Tötungsart der Erstickung ohne sichtbare Spuren als burking.

William Burke (links) und William Hare (rechts) verübten die berüchtigten West-Port-Morde

In den folgenden 10 Monaten sollten Burke und Hare eine breite Spur des Todes ziehen. Ein Furioso der Mordlust und der skrupellosen Geschäftemacherei. Das Schema blieb immer gleich. Zuerst machten sie ihre Opfer betrunken, verabreichten ihnen Laudanum und dann ging es ans Werk. Danach ließen sie die Leichen abkühlen, beschmierten sie etwas mit Lehm um den Anschein zu erwecken, sie kämen aus einem Grab und transportierten sie zu ihrem Hauptkunden, dem ehrenwerten Dr. Robert Knox.

Aus heutiger Sicht ist es unverständlich, warum Knox in diesem unglaublichen Kriminalfall in keinster Weise belangt wurde. Dass die Leichen mehr als ‚frisch‘ waren; dass sie offensichtlich nicht aus Gräbern stammten, war dem Anatomen bekannt. Auch die Todesursache müsste ihm irgendwann aufgefallen sein. Trotzdem schwieg er, zahlte sehr gut für die gelieferte Ware und genoss die Anerkennung seiner Studenten, die seine Präparate bestaunten.

Längst waren auch die Lebensgefährtinnen von Burke und Hare in die Sache eingeweiht. Und – sie halfen kräftig mit.

Das erste Opfer war ein gewisser Josef Miller, ein kränkelnder Pensionsgast Hare’s. Als sich in den Wochen danach niemand einmietete, begannen sie Opfer von der Straße oder aus Kneipen in die Pension zu locken. Abigail Simpson war dann die nächste, eine ältere Dame. Burke lieferte so prompt, dass Dr. Knox erfreut ob der Frische der Leiche sogar einen Sonderpreis zahlte. Burke kassierte ganze 15 Pfund. Dann kam wieder ein Mieter an die Reihe. William Hare’s Frau wurde nun ebenfalls aktiv. Sie fand in einer Kneipe eine Frau, die sich sehr freute, als sie von Margaret Hare eingeladen wurde, mit ihr doch einige Pints Bier zu trinken. Als sie dann einigermaßen betrunken war, schickte sie die Frau einfach in die Pension, wo Burke und Hare bereits warteten. Diese Bierschenke lag gleich neben der Pension des mörderischen Quartetts. Für die Frau ein kurzer Weg in die Ewigkeit.

Beim nächsten Mord wären Burke und Hare beinahe aufgeflogen. Burke hatte zwei Prostituierte – Mary Patterson und Janet Brown – mit in die Pension gebracht. Dabei kam es zu einem Streit zwischen Burke’s Lebensgefährtin und Janet Brown. Die Prostituierte verließ das Haus, kam aber später wieder, um nach ihrer Kollegin zu fragen. Burke erklärte ihr, dass sie bereits nach Hause gegangen wäre. In Wahrheit lag Mary Patterson bereits tot unter dem Tisch. Deren Leiche war tags darauf eine Überraschung für einige der Studenten. Denn sie erkannten das Opfer bzw. waren erst kürzlich Kunden. Erstmals kamen Fragen auf, aber Dr. Knox zerstreute die Zweifel.

Eine Bekannte von Burke war das nächste Opfer. Sie hieß Effie und verdiente ihren Lebensunterhalt als Bettlerin. Burke brachte sie 10 Pfund ein.

Das mörderische Quartett wurde mit der Zeit immer dreister. So holte Burke sein nächstes Opfer einfach bei der Polizei ab. Er löste eine alleinstehende Frau aus, indem er den Polizisten glaubhaft erzählte, dass er sie kenne. Abgekühlt landete sie wenige Stunden später in der Anatomie. Tage darauf folgten eine Frau und ein tauber Junge. Dabei gab es Streit zwischen Burke und Hare. Letzterer wollte den Jungen verschonen, aber seine Argumente stießen bei Burke auf taube Ohren. Danach vermerkte er fein säuberlich in seinem Notizbuch:

„May 7 – Sold the old woman, who came to lodge in Tanner’s Close, and the child, for £12. Paid for drink, porterage, &c. 7s. Paid William Hare £.5. For myself £6, 13…“[3]

William Burke war eben ein gewissenhafter Mann.

Mrs. Ostler war die Nächste, dann folgte eine Verwandte seiner Lebensgefährtin namens Ann MacDougal. Sein nächstes Opfer erregte erstmals etwas Aufsehen in der Nachbarschaft. Mary Haldane war gut bekannt in diesem Viertel von Edinburgh. Sie war Prostituierte aber recht angesehen. Sie war verschwunden – ebenso wie ihre Tochter Peggy. Burke hatte ganze Arbeit geleistet. Zuerst ermordete er Mary Haldane. Als die Tochter zu ihm kam, um ihn nach ihrer Mutter zu fragen, tötete er auch sie.

Der Junge Jamie Daft war sein nächstes Opfer. Daft war geistig zwar etwas zurückgeblieben, dafür aber als bärenstark bekannt. Als Burke und Hare sich an ihn heranmachten kam es zum Kampf. Nur mit Mühe konnten sie ihn überwältigen. Auf dem Seziertisch erkannten einige Studenten den Jungen, weil seine Mutter schon nach ihm gesucht hatte. Dr. Knox leugnete wieder einmal die Identität der Leiche. Um alle Diskussionen abzuwürgen begann er sofort mit der Sektion des Gesichts. Beweise waren damit vernichtet – doch Gerüchte sollten von nun an die Runde machen.

Burke & Hare bei der Arbeit an Mrs. Docherty

Das letzte Opfer wurde Mary Docherty. Burke hatte sie angesprochen, ihren Namen erfahren und gab vor, seine Mutter hieße ebenfalls Docherty und sie seien möglicherweise miteinander verwandt.

Sie begleitete ihn in die Pension, aber als Burke zur Tat schreiten wollte, tauchte zufällig das Ehepaar Gray auf; sie waren ebenfalls Mieter in Hare’s Pension. Als sie das Haus verließen, ergriff Burke sein Opfer. Doch Docherty wehrte sich heftig und es kam zu einem Kampf. Burke gelang es schließlich doch das Mädchen zu überwältigen und er erstickte sie mit seiner erprobten Methode. Das Ganze war allerdings nicht lautlos vor sich gegangen.Der Kampflärm wurde offensichtlich von seinen Mitbewohnern gehört. Da Burke sich nicht sicher war, ob sie durch den Lärm aufmerksam geworden waren, brachte er die Leiche des Mädchens nicht sofort weg und verbarg sie stattdessen unter seinem Bett.

Doch die Gray’s hatten Verdacht geschöpft. Die Situation, als sie plötzlich auftauchten und dann das Gerede, dass sie schon von Nachbarn gehört hatten… Ann Gray beschloss am nächsten Tag der Sache nachzugehen. Sie ging zu Burke, behauptete, ihre Strümpfe nicht aufzufinden und begann im Zimmer zu suchen. Als sie zum Bett kam sprang Burke auf und herrschte sie an, sie solle doch gefälligst woanders suchen. Ann Gray verließ das Zimmer und wartete, bis Burke das Haus verließ. Dann schlich sie zurück in das Zimmer und entdeckte die Leiche unter dem Bett. Sie informierte ihren Gatten und beide machten sich eilig auf den Weg zur Polizei. Dann überstürzten sich die Ereignisse. Burke’s Lebensgefährtin, Helen MacDougal erfasste die Situation und lief den beiden nach. Sie versuchte noch, sie mit einer erheblichen Summe in Form einer ‚Leibrente‘ von einer Anzeige abzuhalten – vergeblich. Daraufhin rannte sie zurück, alarmierte Hare’s Frau und ihren Lebensgefährten. Hastig holten sie die Leiche unter dem Bett hervor und konnten sie gerade noch wegbringen, als Polizisten bei ihnen anklopften. Widersprüchliche Aussagen gaben schließlich den Ausschlag. Das mörderische Quartett wurde verhaftet.

Edinburghs Zeitungen berichteten davon. Noch kannte man nicht die Dimension dieses Verbrechens und trotzdem – die Empörung war groß. Janet Brown las davon in der Zeitung und meldete sich bei der Polizei. Sie identifizierte die Kleidung Mary Pattersons, ihrer verschwundenen Freundin. Und schließlich wies eine anonyme Anzeige die Spur in den Seziersaal des Dr. Knox.

William Hare als Kronzeuge

Als im Dezember 1828 der Prozess beginnen sollte, schien die Sachlage klar, nur – so eigenartig es klingen mag – es fehlten schlagende Beweise. Um nicht im Prozess zu scheitern entschloss sich der Lord Advocate (vergleichbar mit einem Staatsanwalt) Sir William Rae dazu, einem der beiden ein Angebot zu machen. So bot er William Hare Straffreiheit an, wenn er ein umfassendes Geständnis ablegen würde. Und Hare packte aus. Umfangreich und detailliert. Der Prozess war damit nur noch eine Formsache. William Burke wurde zum Tod durch den Strang und zur Übergabe seiner Leiche an die Anatomie verurteilt. So sollte Burke das gleiche Schicksal erleiden, das er seinen Opfern zugedacht hatte.

Das Urteil löste Empörung in der Bevölkerung aus. Der Mediziner und Anatom Robert Knox hatte sich einfach über seine Geschäfte ausgeschwiegen und wurde vor Gericht nicht belangt.[4] Ebenso kamen Helen MacDougal und Margaret Hare auf Grund fehlender Beweise straffrei davon. Ein Jahr später kam auch Hare wieder frei.

Die beiden Frauen konnten nach dem Prozess dem Lynchmob nur mit knapper Not entgehen. Beide flüchteten aus Edinburgh und danach verloren sich ebenso wie bei William Hare ihre Spuren.

Auf ewig verdammt in die Anatomie: William Burke

Nur auf William Burke wartete der Henker. Als dieser am 28. Jänner 1829 sein Werk verrichtet hatte, wurde Burke vom Galgen abgenommen und eine Totenmaske von ihm angefertigt. Anschließend transportierte man den Leichnam in den Anatomiesaal. Dort wurde nach den verschiedenen Sektionen sein Skelett präpariert und ausgestellt.

Man kann es noch heute im Edinburgh University Anatomy Museum besichtigen. Ebenso wie seine Totenmaske, die in den Surgeon’s Hall Museums ausgestellt ist. Vor dieser liegt eine etwas unscheinbare, vom Alter gebräunte Geldtasche. Gefertigt aus der Haut des 17fachen Mörders William Burke.

 

Fotos: Cecil Doughty (Titel-/Artikelbild), Wellcome Library, London,  Murderpedia und Geograph.org.uk

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  1. [1]Das Lokal, das dafür zuständig war, gibt es noch heute. Stilvoll heißt es nun „Last Drop Tavern“ (74-78 Grassmarket, Edinburgh, EH1 2JR – Tel: 0131 225 4851) und ist bekannt für die günstigen Bierpreise und die zahlreichen Geistergeschichten, die der Barkeeper zu erzählen weiß. Angeblich soll es im Lokal spuken. Ein Gespenst – ein seufzendes, kleines Mädchen – soll bereits mehrfach im Lokal erschienen sein.
  2. [2]Resurrection Men = ‚Auferstehungsmänner‘ (Die Menschen wieder auferstehen lassen), manchmal auch: ‚Sack-em-up Men‘ (Sack-sie-ein-Männer). Erst später kam die Bezeichnung ‚Body Snatcher‘ – nach dem Titel einer Erzählung von R. L. Stevenson – in Mode.
  3. [3]Dass man heute noch genau weiß, wie viel Geld William Burke und William Hare mit den Morden verdienten, verdanken wir der Gründlichkeit des irischen Schusters. Burke hatte fein säuberlich Buch geführt. Nach der Hinrichtung fand man nahe seiner Wohnung ein kleines Kistchen. Darin befanden sich Notizen. Genau sind zu jedem Mord die jeweiligen ‚Unkosten‘ (für Alkohol und Laudanum) und der Ertrag beim Verkauf aufgelistet.
  4. [4]Auch wenn Knox straffrei aus dem Fall heraus kam, sein Ruf war zerstört. Er fand in Edinburgh keine Studenten mehr und ging nach London, wo er 1862 starb.

11 Kommentare zu „Mörderische Geschäfte“

  1. Pingback: Spontis Wochenschau #8/2012

  2. Gestern „Der Leichendieb“ von 1945 geschaut. Sehr empfehlenswerter s/w-Streifen mit einem großartigen Boris Karloff und Bela Lugosi in einer Nebenrolle. Der Filmplot baut auf den Morden von Burke & Hare auf – insbesondere Robert Knox wird öfters genannt – dennoch spielt die Geschichte einige Jahre später.
    Wirklich gut umgesetzt – sehenswert!

  3. Eine makabre Geschichte. Obwohl, Mord aus Habsucht ist an sich nicht ungewöhnlich, denkt man nur an die schon sprichwörtliche Oma, die wegen ihrer mageren Geldbörse auf der Straße erschlagen wird, oder an die Opfer von Entführern, die allerdings mit größerem Gewinn gerechnet haben. Was macht die Geschichte so besonders? Der Handel mit Leichen? Das kann uns doch heutzutage nicht mehr gruseln, oder?

    Vielleicht den ein oder anderen doch. Schließlich, auch wenn jeder weiß, dass am Ende Verwesung wartet, ist die Hemmschwelle zur Einwilligung in eine Organspende doch noch groß. Die Vorstellung, dass jemand nach dem Tod an uns herumschneidet, scheint zumindest nicht völlig unbefangen zu sein. Dann wäre da noch unser Verhältnis zu den Verstorbenen, die Verbindung, die auf der Seite des Lebenden über den Tod hinaus reicht. Unsere Friedhöfe sind keine verwaisten Äcker, auf denen vergessene Gräber liegen, sondern gepflegte, gut besuchte Gedenkstätten, auch wenn die Anzahl der Urnengräber stetig steigt. Aber im Zweifel ist das meine Tante Magda in der Urne und ich weiß, wo sie liegt. Mag sein, dass wir nicht häufig über den Verbleib unserer eigenen Überreste nachdenken, aber über die unserer Verstorbenen wachen wir auch heute noch. Nur so schöne Wachtürme haben wir leider nicht – die allein wären schon eine Reise wert.

    Was aber ausschlaggebend für das mulmige Gefühl beim Lesen sein dürfte, ist die kaltblütige Zielgerichtetheit der Taten. Mord aus Habsucht zeigt sich selten mit einem derart offenen Visier – ein Geschäftsunternehmen mit mehreren Gesellschaftern, dessen einziger Zweck im Töten und Verhökern der Leichen bestand. Da ist jede romantische Verbrämung zum Scheitern verurteilt. Die Skrupellosigkeit, die sich in der Geschichte offenbart, passt zu den Sittengemälden, die Dickens von dieser Zeit gezeichnet hat.

    Der Artikel war die Zeit zum Lesen allemal wert, spannend bis zum Schluss.

  4. Wenn das Dr. Knox noch hätte sehen können:

    […] die Kühlhäuser der Uni-Kliniken sind voll. „Wir bekommen deutlich mehr Anfragen, als wir bewältigen können“, sagt Hans-Peter Hohn von der Uni Essen. 20 Interessierte rufen jeden Monat bei ihm an, die Anatomie braucht 35 bis 40 Leichen – pro Jahr. Hohn muss nun Bewerber abweisen. […]

    […] „Letztes Jahr haben wir im September den Riegel vorgeschoben“, sagt auch Christof Schomerus, Leiter der Prosektur am Uni-Klinikum Frankfurt am Main. Bis dahin hatte Schomerus 200 Bewerbungen bekommen – 50 hätten ausgereicht, um den Studenten genügend Anschauungsmaterial zu liefern. In manchen Kliniken liegen die Leichen zwei Jahre in der Kühltruhe, bis sie in einem Seminar zum Einsatz kommen. […]

    Quelle: http://www.gmx.net/themen/beruf/bildung/4095co0-leichen-leichen

  5. @ Shan: „I sell the dead“ überrascht mit
    teilweise wirklich aberwitzigen Szenen,
    kuriosen Wendungen und geradezu
    haarsträubenden Erzählmomenten.

    Bin gespannt, wie Du den Streifen letztlich
    findest! 😉

  6. @ Melle – Danke für den Tipp

    Das Thema Leichenraub wurde ja in einigen Filmen thematisiert.
    Über die West-Port Morde drehte John Landis 2010 den Film ‚Bürke & Hare‘. Aber Vorsicht – es ist eine schwarze Kömödie mit sehr, sehr britischem Humor.

    Pooly – In ‚From Hell‘ gehts zwar um Jack The Ripper, aber die düstere Atmosphäre des Films ist schon gut mit der Geschichte von Burke & Hare vergleichbar.

    1. Ja, die Story ist so gut, dass ich mir am liebsten sofort ein Ticket nach Edinburgh holen will, um mich dort weiterzugruseln.

      Oder ich schaue mir den 2010er-Film „Burke & Hare“ an – das dürfte bei mir ungefähr den selben Effekt ergeben. Nicht weil ich schwarzen, britischen Humor nicht mögen würde, sondern weil eine Komödie zu dem Thema mit Slapstick-Klamauk irgendwie „Perlen vor die Säue“ ist bei der Geschichte. Was kann man daraus für einen wirklich guten Gruselfilm machen, viktorianisches England, Kostüme, Düsternis – da winkt ein historischer Gruselschocker und was machen die Briten??

      In den guten alten s/w-Zeiten gab es wohl mit „The Body Snatcher“(1945)“ schon mal einen passenden Film mit Starbesetzung: Bela Lugosi & Boris Karloff. Allerdings lehnt sich dieser eher an Stevensons Story an und geht nicht auf die West-Port-Morde ein. Habe ihn noch nicht gesehen, aber werde ich mir wohl demnächst mal zulegen.

      @Melle: Hab mir grad den „I Sell The Dead“-Trailer angesehen. Wirklich schräg, aber muss ich gucken! Könnte sogar bisschen dran angelehnt sein, an Burke & Hare.

  7. Toller Artikel! Großartig geschrieben, recherchiert und bebildert. Ich finde den Erzählstil, der mit Fakten angreichert ist, lesenswert und angenehm anders. Er entschleunigt die Informationsflut üblicher Artikel und schafft es, mich auf eine Reise in die Welt eines kranken Mannes mitzunehmen. Ich fühle mich unwohl, unbehaglich und kann dennoch nicht aufhören zu lesen. So sollte es sein. Dankeschön!

  8. Hi!

    Stellenweise mußte ich beim Lesen Deines
    Artikels an den Film „I sell the dead“ denken –
    ein ziemlich schräger Streifen, den Du Dir mal
    anschauen solltest. 😉

    Darin spielen der „Charlie“ aus LOST und der
    Sohn von Jack Nicholson mit…

    Dunkle Grüße!
    Melle

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