Tod, Tote, Totem – Wien!

„Friedhöfe in Wien“, „Mystischer Wienerwald“ oder „Unheimliches Wien: Gruselige Orte – Schaurige Gestalten – Okkulte Experimente“… unsere freundliche Gastwirtin der „Grinzinger Gartenidylle“ legte einen düsteren Bildband nach dem anderen auf den bis dato jungfräulich weißgewandeten Frühstückstisch. Wir schauten uns verdutzt an. Sahen wir wirklich SO aus oder hatte sie in unserem Gästezimmer nur das Buch zur Ausstellung „Fürsten der Finsternis – Vampirkult im Film“ liegen sehen? Wie auch immer: ihre Heimbibliothek hatte es in sich! Denn sie unterrichtete an einer Wiener Berufsschule für angehende Tourismus-Fachkräfte – ihr Fundus an Büchern mit skurrilen Reisetipps für Wien schien unerschöplich. Sehr zu unserem Freudwesen! Auch wenn der Wienerwald noch auf unseren nächsten Wien-Besuch warten muss. Diesmal standen der Narrenturm Wien (← ich berichtete bereits) und einige weniger bekannte Friedhöfe Wiens, etwas Shopping und ein Besuch bei einem Wiener Skurrilitätenkünstler auf dem Programm.

Grinzinger Gartenidylle: Blick von unserem Appartement in den Hof

Die Grinzinger Gartenidylle kann ich auf jeden Fall empfehlen: ein liebevoll bepflanzter Hof mit drei Häusern und Gästezimmern im Wiener Stadtteil Grinzing, der für seine Heurigen (Weinlokale) berühmt ist. Am Berg gelegen, ist man zu Fuß in 10 min in Grinzing drunten und kann in einem der Heurigen sein Weinchen/Veltliner pitschen. Fährt man den Berg stadtauswärts weiter hinauf, ist man recht flott im Wienerwald. Die Gartenidylle nennt das auf ihrer Internetseite „0 km Entfernung zu Natur und Wienerwald“. Grinzing hat einen dörflichen Charakter und einen äußerst „ergiebigen“ Grinzinger Friedhof. Mit der Tram und U-Bahn braucht man zum Stadtzentrum (Stephansplatz) zwischen 30-40min. Leider ist die Grinzinger Gartenidylle nicht unbedingt ein Schnäppchen, aber eine freundliche Gastwirtin, sehr leckeres Frühstück, nächtliche Ruhe, liebevoll gestaltete Zimmer haben eben ihren Preis (ca. 100 €/Nacht ab der 2. Nacht). Je länger man bleibt, umso günstiger wird’s.

Wer’s zentraler mag: im Do Step Inn Ho(s)tel kann man günstig und gut übernachten – zum Preis von 40-60 € je DZ. Hostel halt, aber sauber und echt freundliches Personal. Am Westbahnhof gelegen, Stadtzentrum zu Fuß (ca. 30min Laufen) oder mit Tram/U-Bahn bequem erreichbar.

Wiener Friedhöfe

Wer auf dem Zentralfriedhof Wien schon jeden Grabstein kennt, für den habe ich hier ein paar Tipps, welche Friedhöfe man noch gesehen haben muss – und welche nicht.

Grinzinger Friedhof

Grinzinger Friedhof WienAuf einem Hügel gelegen, mit sehr viel Grün und Bäumen – ich finde den Grinzinger Friedhof sehr idyllisch. Ein hübscher Stadtteilfriedhof – klein und fein. Man kann hier durchaus seine 1-2 h verbringen, denn es gibt anmutige Grabstatuen und neogotische Gräber zu entdecken. Auf dem Grinzinger Friedhof liegen einige Persönlichkeiten, aber eher die nicht so ganz berühmten (die Stars liegen ja auf dem Wiener Zentralfriedhof). Wenn ich mal von mir ausgehen darf, so kannte ich nur einen Einzigen: den österreichischen Komponisten und Dirigenten Gustav Mahler (und im Nebengrab liegt seine vierjährig verstorbene Tochter Maria Anna Mahler). Wer von euch also auf Friedhofstour durch Wien ist, sollte den Grinzinger nicht auslassen.

 

Wien Grinzinger Friedhof

 

St. Marxer Friedhof

Grab Mozart Wien Sankt Marxer Friedhof
Gedenk-Grab für W.A. Mozart

Der Marxer Friedhof ist der letzte Biedermeier-Friedhof Wiens und steht unter Denkmalschutz. Hier wurden zwischen 1782 und 1873 zahlreiche Menschen aus dem Bürgertum bestattet. In biedermeierlicher Liebe bekamen sie symbolreiche Grabdenkmäler mit Stelen, trauernden Statuen, Morpheus-Fackeln, Urnen, Palmzweigen und flatternden Schmetterlingen verziert. Die zu Lebzeiten weniger Erfolgreichen wurden in sogenannten Armen- oder Schachtgräbern beigesetzt. So auch Wolfgang Amadeus Mozart, der hier irgendwo unter der Erde liegt, aber keiner weiß genau wo. Zum Andenken hat man dem großen Komponisten einen neuen Grabstein gesetzt. Ganz hübsch & gepflegt, wenn auch etwas kitschig.

Grabsteine Sankt Marxer Friedhof Wien

Gibt es eigentlich so etwas wie Friedhofsliebe? Jedenfalls habe ich mich in den Marxer Friedhof sofort verliebt: opulente und verwilderte Natur, lauschig stehen die verfallenen Grabsteine in von Sträuchern, Büschen, Bäumen abgetrennten Reihen meist zwischen den Sträuchern versteckt. Dazwischen sind kleine, gepflegte Wege. Über diesen Friedhof wandelt man wie durch einen verwunschenen Park.

Leider ist die Geräuschkulisse etwas abtörnend, denn der St. Marxer Friedhof liegt direkt unterhalb zweier Autobahnen. Autoliebhaber kommen natürlich voll auf ihre Kosten, bei allen anderen trüben die permanenten Fahrgeräusche aber die friedlich-ruhige und romantische Atmosphäre. Hier könnt ihr mal reinhören:

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Aber es ist wie mit vielem in der heutigen Zeit: nobody cares. Frei nach dem Motto: „Alter Friedhof? Ist doch egal, bauen wir halt eine Autobahn hin oder drum herum. Die Toten stört es nicht mehr.“ Wohl wahr. Wenn man es positiv sehen will, könnte man sagen, dass sich hier die alte und neue Zeit authentisch treffen. 😥

Aber sind wir mal froh, dass dieses Kleinod der Sepulkralkultur überhaupt erhalten geblieben ist. Das war gar nicht mal selbstverständlich. Ab Mitte des 19. Jhd. wurden aufgrund der wachsenden Zahl der Bevölkerung die kommunalen Stadtteilfriedhöfe zu klein und man hat dafür den Wiener Zentralfriedhof geschaffen. Die fünf damaligen kommunalen Friedhöfe sollten aufgelassen und in Parks umgewandelt werden. Mit vieren ist das auch geschehen, nur der Marxer Friedhof hat als solcher überlebt, weil sich der Heimatforscher Hans Pemmer geradezu kämpferisch für die Erhaltung des Sankt Marxer Friedhofs eingesetzt hat. Danke, Hans!

 

Von den ehemals 8.000 Gräbern auf dem Sankt Marxer Friedhof sind heute noch 5.635 vorhanden. Leider fehlen vielen Statuen die Köpfe oder Extremitäten – traurig! Oft tragen Grabsteine teils morbide Gedichte über die Verstorbenen als Inschrift und es gibt ‚lustige‘ Berufstitel zu entdecken. Bürgerlichen Berufen wurde ein akademischer Grad angehangen, um die von den Verstorbenen ehrbar erbrachten Leistungen über den Tod hinaus zu adeln – so scheint es jedenfalls – so liegen hier z.B. der akad. Kupferstecher oder bürgl. Kanalräumer und k. k. Post-Cassenverwalter. Der Sankt Marxer Friedhof ist wirklich ein MUSS, weil er selten und einzigartig ist auf der Welt!

 

Friedhof Meidling & Ottakring

Hier liegt offenbar ein Gustav-Klimt-Liebhaber (Meidlinger Friedhof)

Falls ihr denken solltet: in Wien ist sicher jeder Friedhof sehenswert – dachten wir auch! Vermutlich haben auch andere Stadtteil-Friedhöfe ihre Reize, die nicht so im Fokus „der scheenen Leich“ stehen. Also fuhren wir nach Meidling und Ottakring und wurden eines besseren belehrt. Es ist eben nicht jeder Friedhof in Wien eine große Nummer. Immerhin: wenn auch der Meidlinger Friedhof keinen Charme hat, dann aber wenigstens die ein oder andere nette Grabstatue; während der Friedhof in Ottakring überhaupt nicht besuchenswert ist, sofern man niemanden dort liegen hat. Der Ottakringer Friedhof ist eine langweilige Beton-Grabsteinwüste ohne besondere Auffälligkeiten. Nach diesen zwei Versuchen ließen wir es bleiben.

 

Beim nächsten Mal in Wien würde ich dann eher noch mal zum Friedhof der Namenlosen an den Alberer Hafen gehen und dort hinter dem Friedhof im Wald am Ufer des Dammes den eigentlichen Friedhof der Namenlosen aufsuchen. Hier wurden die Leichen angeschwemmt – heute ist es nur noch Wald ohne Grabsteine. Es steht lediglich ein Schild auf dem zu lesen ist, dass hier der erste Friedhof der Namenlosen war mit der Jahreszahl von wann bis wann. Sieht man gut hier im Video bei 0:40″:

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Gothic Shops & alternative Läden

Gab es gratis: Ratten-Streetart

Konkret „Gothic Shops“ gibt es in Wien nicht en masse und mir persönlich sind die auch meist zu monothematisch. Ich bevorzuge lieber alles was nicht ausdrücklich Gothic, dafür aber skurril ist oder Kunst- und alternative Musik-Läden, auch Antiquitäten & Second Hand Shops. Solcherlei gibt es in den Gassen rund um das Haus des Meeres jede Menge, z.B. in der Lindengasse, Neubaugasse, Zollergasse (Totem Records), Kirchengasse (Rattlesnake Store) und Hermanngasse (Asmalia: Gothic * Korsetts * Fetisch). Eine Empfehlung von Dunkelelb ↓ aus Wien ist das Boots in der Skodagasse 19 – hier gibt es Szene-Stiefel und gröberes Schuhwerk für alle Zwecke sowie Leder-Accessoires.

TOTEM Record Store

Diesem Plattenladen in der Zollergasse 18-20 gebührt eine Extra-Erwähnung – schon allein für seine Schaufenster-Deko und die schwarzgewandete, satanische Inneneinrichtung mit Geißböcken, umgekehrtem Kreuz und blutroter Decke. Drinnen traute ich mir nicht zu fotografieren nach einem Blick auf den „Großmeister“ hinterm Verkaufstresen, der finster-überlegen dreinblickte. Ich habe heute recherchiert, dass es sich um Alex Wank handelte, der zusätzlich zu Totem Records auch noch Schlagzeuger bei der Death Metal Band Pungent Stench war (mittlerweile aufgelöst).

 

Der Totem Store hat sich musikalisch auf Metal der düsteren Spielart spezialisiert, aber auch Ambient, Industrial (hatten da eine geile Box von SPK) und etwas Elektronik im Programm. Viel Rares und auch Second Hand Scheiben. Dazu Band Shirts, X-Rated / Adult Filme und einige Schätzchen okkulter sowie heidnischer Literatur. Das TOTEM ist definitiv ein Laden, den man nicht vergisst! So wie ich es mag, echt Untergrund und kultig – wie früher! Kann kein heutiger „Gothic-Shop“ auch nur ansatzweise mithalten.

Mehr über Totem Records erfahrt ihr hier über „Wien und seine Plattenläden“

 

Skurrile Kunst aus Wien – der Dunkelelb

Vorn die Eleonore und auf der Hobelbank seines Vaters entstehen Dunkelelb’s Werke

Den Dunkelelb aus Wien kenne ich schon länger – wir verfolgen uns gegenseitig in sozialen Netzwerken. So ein verrückter Typ, der sich selbst zombiehafte Skelette und Leichen baut und sie in seinen Garten stellt, entgeht mir ja nicht! Trotzdem ist er sympathisch, was man bei derartiger Passion nicht unbedingt erwarten muss. Er nennt es „I put the fun in funeral“ und als wir ihn mitsamt Frau und Kind besuchten, hatten wir auch tatsächlich Spaß miteinander. Tagsüber Netzwerk und IT, nachts Dark Ambient, Gips und Latexmasse. Viel Zeit bleibt neben der Arbeit und Familie nicht für das Schöpferische und wenn man so viel Liebe zum Detail in seine Kreaturen steckt wie er, dann dauert es, bis die toten Kreaturen zum Leben erweckt werden (oder doch umgekehrt?). Wir erwarben „Eleonore“, die ihr als Besucher unserer letzten Elektronischen Nacht in Wiesbaden auch schon persönlich kennenlernen durftet. Dunkelelb gab uns „für die Reise“ noch ein Glas Asche mit, falls beim Transport der Untoten im Kofferraum etwas von ihrer Asche-Patina abbröckeln sollte… 🙂

Dunkelelb im Kreise seiner engsten Freunde 🙂

 

Ich bin immer gespannt auf seine neuesten Toten & Kreationen – ihr auch? Dann folgt ihm hier auf Facebook oder etwas privater auf Instagram.

Hier müsste man abends noch mal hergehen… 😉

 

Habt ihr noch Tipps für weitere Wiener Friedhöfe oder eine gute Shop-Empfehlung? Her damit in den Kommentaren – ich und die anderen Planetenleser freuen sich!

 

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6 Kommentare zu „Tod, Tote, Totem – Wien!“

  1. So eine schöne Auflistung, vielen Dank. Ich gehe auf Reisen immer zu Friedhöfen, weil ich Grabmale liebe. Es ist für mich besser als das Sightseeing von Gebäuden und sagt oft so viel aus über die Vergangenheit der Gegend. Danke für die Tipps zu sehenswerten Friedhöfen!

  2. Nach dem obligatorischen Besuch beim Zentralfriedhof (leider totaler Rummel an diesem Tag), mussten wir unbedingt nochmal beim St.Marx vorbei…und nicht zuviel versprochen….auch ICH habe mich verliebt…der Auslöser der Kamera glühte und ich war froh, Ersatzakkus dabei gehabt zu haben. Nach einer Weile konnte ich auch dank perfektem warmen und dunstigen spätnachmittäglichen Herbstsonnenlicht den Autolärm ignorieren und war vom Ort emotional gefangen. Fast kein Mensch anwesend, diese teils total zugewucherten Grabmale, oh….ich schwärme schon wieder. Faszinierend auch das Nebeneinander von christlichen und jüdischen Gräbern. Einige Gräber sind allerdings mittlerweile saniert oder werden gerade instand gesetzt. Sollte ich wieder nach Wien fahren, ist ein neuerlicher Besuch gesetzt. Danke für den grandiosen Tipp!!

  3. Was für ein großartiger Artikel. Vielen Dank für den ganzen Absatz über mich und meine Werke. Freut mich natürlich sehr und es freut mich noch viel mehr, dass sich eure Eleonore so schön eingelebt hat. Wie ich schon sagte, solltet ihr mal wieder in der Gegend sein, würde ich mich über einen weiteren Besuch sehr freuen. Schöne Grüße aus der Horror-Werkstatt.

    Hochachtungsvoll der Dunkelelb.

    1. Lieber @Andreas: Dann muss ich da mal reinhören in Pungent Stench. Wenn Du als mein Metal-Sachverständiger das so einschätzst. 😉

      @Dunkelelb: Danke für die Einladung in die Horror-Werkstatt, wir werden Dich & deine (Horror-)Familie gern wieder heimsuchen. Der nächste Wien-Besuch kommt bestimmt, von der Stadt kann man ja nie genug kriegen!

      @Harald: Und wenn man Deine Bilder dann noch sieht, bekomme ich gleich noch mehr Fernweh…Danke!

      Liebe Grusels
      Shan Dark

  4. Schön noch mal zu sehen, wo Eleonore herkommt. 🙂
    Pungent Stench war eine coole Band. Die habe ich einmal vor vielen Jahren auf dem Party San Festival gesehen.

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