Ultravöxchen – Part II

ULTRAVOX 2012 „Brilliant“-Tour in der Phönixhalle Mainz

Dieser Konzertbericht sollte nicht sein, denn es gibt schon einen hier auf dem schwarzen Planeten über Ultravox 2010 in Offenbach. Aber er muss sein – meine Begeisterung nach dem gestrigen Konzert ist einfach zu groß!

Ich bin immer verwundert und erschüttert zugleich, dass die britische New Wave/New Romantic-Legende Ultravox hierzulande trotz vieler Chart-Hits kaum bekannt ist. Sind Ultravox wirklich so underground? Oder liegt es eher daran, dass sich Ultravox 1988 nach 8 hervorragenden Alben einfach aufgelöst haben und seither in Vergessenheit geraten sind. Billy Currie (Keyboard) und vor allem Midge Ure verfolgten danach Solokarrieren als Musiker – Midge Ure sogar sehr erfolgreich mit Chart-Hits wie „If I was“ und „Breathe“ sowie zahlreichen Projekten mit anderen Künstlern, z.B. Bob Geldof und Kate Bush.

Ich nehme fast an, Midge Ure ist bekannter als Ultravox, denn bei Erwähnung des Bandnamens schauen meine Arbeitskollegen stets irritiert ins Leere. So auch gestern. Ich: „Heute abend gehe ich zu Ultravox, auf Konzert.“ Große Augen schauen mich an. Schulterzucken. Ich: „Die haben eigentlich viele bekannte Lieder. Hört man öfters im Radio.“ – Ungläubiger Gesichtsausdruck: „Ach ja?“ Ich: „Klar. Ähm, ‚Vienna‘ zum Beispiel.“ Ich singe vor. Augenbrauen gehen hoch, Mundwinkel nach unten. Gesichtsausdruck wird noch ungläubiger, aber es besteht die Angst sich zu blamieren oder mich zu blamieren. Es wird schnell eingelenkt: „Sind die bei YouTube?“ Ich: „Klar. Schau mal nach ‚Dancing with tears in my eyes‘ – das kennst Du sicher.“ Der Song läuft an. Stille. Immer noch Stille. Als Midge Ure mit „Dääääääääääncing….“ anfängt, höre ich: „Ach Goooooott. Da fühlt man sich ja gleich wieder 20 Jahre jünger.“ Ich: „20 Jahre reicht nicht.“

Wie auch immer. Jedenfalls war ich von der Arbeitswoche so geschlaucht, dass mir eher nach Couch als Concert war. Schlagkräftige Vorurteile hatten in mir die Meinung geformt, dass der bevorstehende Auftritt von Ultravox die Wiedervereinigungs-Tour von 2010 nicht toppen kann. Noch nicht mal meine Kamera wollte ich mitnehmen 😯 . „Von denen haben wir ja schon Bilder gemacht und einen Blogbeitrag schreibe ich darüber auch nicht noch mal“, sagte ich zu meinem Freund, der die Kamera einpackte. Weiterhin faselte ich noch was von „Wir brauchen da eh nicht so früh da sein. Dass die um acht schon anfangen, das glaubst Du und ich nicht.“ 🙄

20 Uhr standen wir am Einlass der Mainzer Phoenixhalle in der Schlange zur Leibesvisitation. Und wer fing clock acht an zu spielen? Genau. Sind denn die Briten jetzt auch schon pünktlich? Fürchterlich. Das erste Stück war von Ultravox neuem Album „Brilliant“ – und die weiteren Sachen davon waren live jedenfalls ziemlich gut. Nicht ganz so wie die alten Songs, aber nah dran, fand ich. Immer noch sehr wirkungsvoll, mit guter Elektronik und der unverwechselbar kraftvoll-markanten Stimme von Midge Ure. Keiner hätte gedacht, dass sie noch mal ein neues Album machen. Auch wenn ich es im Stillen gehofft hatten nach der Wiedervereinigung 2009/2010.

Meine Begeisterung für diese Band ist nahezu grenzenlos, auch wenn manche Stücke radiovernudelt sind. Klar, da stehen Opas auf der Bühne. Aber sie rocken – und das ist nicht nur der übliche hippe Spruch. Ultravox rocken wirklich, untermalt oder begleitet von genialer Synth-Wave-Elektronik. Sie sind eine der großen Bands, die nie gehyped, sondern eher unterschätzt wurden. Für manche, die es nicht wissen: Ultravox waren u.a. wegweisend für Gary Numan, Spandau Ballet oder Visage (Billy Currie und Midge Ure waren Gründungsmitglieder und erschufen den Visage-Hit „Fade to Grey“; Steve Strange sang ihn nur). „Ultravox were the link between punk and what came next.“ (Wikipedia)

Gute Musik wird niemals alt – nur wir mit ihr.

Sympathisch sind Ultravox sowieso. Es mag an der Natürlichkeit der vier Herren liegen. Alles ist, wie es ist. Ehrlich, nüchtern, alle um die 60 oder älter, nichts ist aufgesetzt oder gar peinlich. Erfahrung trifft hier hohe Qualität und britisches Understatement.

Midge Ure – der Rocker in Anzug und Krawatte

 

Nach gefühlt 45 Minuten Konzert mit den Highlights „Mr. X“ (siehe Video) und „Visions in Blue“ gab es eine Pause von 15min. Es war ihnen gegönnt. Immerhin freitagabend – auch für uns. Wir haben unterdessen Getränke gefasst, Bekannte und Freunde getroffen, Brezeln mit Butter-Injektion kennengelernt und uns die Phoenixhalle in Mainz mal näher angeschaut. Eine Halle halt, aber ganz nett. Der Sound ist soweit OK.

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Mr. X-Sänger Warren Cann am Schlagzeug

Ultravox gehen nach der Pause noch einiges besser ab als zuvor und verzaubern uns und die Atmosphäre in der Phoenixhalle. Wir zappeln, tanzen, transpirieren, kreischen, klatschen und singen mit.

Nach 2 Stunden mit fast allen Songs, die man hören will bei einem Ultravox-Konzert (bis auf „Paths and Angels“ mal wieder) und einer laaangen Zugabe verzieht sich der Bühnennebel und alles ist vorüber.

Leider bin ich zu einem langen Konzertbericht heute morgen gar nicht mehr fähig. Aber definitiv haben Ultravox gestern in Mainz den Auftritt von vor 2 Jahren in Offenbach noch getoppt. Ich hätte es nicht für möglich gehalten!

Meine 5 Gründe dafür:

  1. Die vier Ultravoxies wirkten besser aufeinander eingespielt – generell als Band und auf der Bühne. Alles war etwas runder.
  2. Das gab dem Auftritt mehr Lockerheit und Spielfreude. 2010 schienen sie etwas unsicherer und wollten auch zeigen, dass sie es noch können.
  3. Einsatz von minimalistischen Videoprojektionen, die 2010 wirklich f-e-h-l-t-e-n.
  4. Stehen. Tanzen. Bewegungsfreiheit. Gleich von Beginn an. – Damals in Offenbach nervte das mit der kompletten Bestuhlung und bremste etwas die Euphorie und den Spaß.
  5. Neues, gutgehendes, mitreißendes Songmaterial zum Kennenlernen.

Es war für mich der musikalisch glücklichste Freitagabend seit langem!

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Wer Midge Ure – The Voice – 2012 live & solo sehen möchte, sollte sich am 8.12.2012 im BETT in Frankfurt einfinden. Sein bekanntester Song „If I was“ wird nämlich dieses Jahr 25 – in Worten: fünfundzwanzig Jahre alt. Ob das nun der Grund für die Tournee ist, weiß ich nicht.

UPDATE: Das Midge Ure-Konzert war SUPER. Komplett akustisch, aber trotzdem überwältigend. Dieser Mann ist wirklich ein genialer Musiker! Hier seine Akustik-Version von „Fade to Grey“, wozu er einst den Text schrieb. Bevor er den Visage-Hit sang dementierte er die Aussage von Steve Strange, dass Ultravox und Visage wieder etwas gemeinsam planen (Album/Tour). Pffh, im Leben nicht!! Das haben die Jungs von Ultravox gar nicht nötig!

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Interview mit Midge Ure zur Solo-Tournee von DerWesten

Brilliant-Making-Of zum neuen Album von Ultravox 

 

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7 Kommentare zu „Ultravöxchen – Part II“

  1. Midge Ure ist gerade in D-land solo unterwegs:
    German solo acoustic tour

    Thus Oct 24th – Oberhausen Zentrum Altenberg
    Fri Oct 25th – Worpswede Music Hall
    Sat Oct 26th – Frankfurt Das Bett
    Mon Oct 28th – Augsburg Spectrum
    Tue Oct 29th – Mannheim Capitol
    Wed Oct 30th – Roth Kulturfabrik
    24hr Ticket hotline for all German shows – 0049 (0) 180 50 40 300
    Tickets also from http://www.adticket.de.

  2. Ich DANKE Euch fürs Feedback und vermute, dass der Bericht so gut ankommt, weil ich ihn direkt nach dem Konzert noch völlig im „Ultravox-Rausch“ geschrieben habe 😉 –> @Stephanie und @Dee: viel Spaß beim nächsten Konzert!!

  3. Das ist ja wohl mal der tollste und vor allem treffendste Konzertbericht, den ich je gelesen habe. So ziemlich alle meine Gedanken, Empfindungen und überhaupt perfekt in Worte verpackt und amüsant und anschaulich erzählt. Wenn ich nicht bereits 5 Konzerte hinter und noch ein vor mir hätte, würde ich sofort loslaufen, ein Ticket zu kaufen!
    Vielen Dank!! 🙂

  4. Der Bericht spricht mir aus der Seele!
    Ich glaube ich fahre nach köln und geb mir das Ganze nochmal!

    Einfach ein wunderbares Konzert

  5. Annette Werthmann

    Toller Bericht!!! DANKE DAFÜR!!! :-)) Es war ein absolut fantastischer Abend und ja ULTRAVOX haben die Halle gerockt!!! :-))

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